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Hoerig

Hoerig

Titel: Hoerig Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nelly Arcan
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Vergessen der Ghettos.
    Zu meinen Betrachtungen über die Huren, die Mädchen im Web und den Kosmos hast du nichts gesagt. Du hattest schon begonnen, dich von mir zu entfernen, und das hieß für dich, daß du den Faden meiner Gedanken verloren hattest und dir nicht mehr die Mühe machtest zu antworten. Ich frage mich, in welchem Expansionszu-stand mein Körper sich befindet, wenn man nach meinem Tod die Tür zu meiner Wohnung aufbricht, weil der Gestank unerträglich wird.

    In der Vergangenheit haben mir oft Freier gesagt, ich hätte den Körper eines Pornostars, sie wollten mir damit sagen, daß ich etwas Besonderes sei, hunderte Stunden Training und tausende Dollar für Schönheits-Operationen hatten meinen Körper gleichsam der Natur enthoben und in den Bereich der Kultur versetzt. Einmal habe ich dich nach dem Unterschied zwischen mir und den Pornostars gefragt. Daß ich da sei, hast du mir zur Antwort gegeben, daß ich im Gegensatz zu den Pornostars in deinem wirk-lichen Leben existiere und du mich jeden Abend in deinem Bett antriffst. Vielleicht wolltest du damit sagen, daß das ein bißchen zuviel sei, daß ich etwas zu verfügbar sei und dich das gelegentlich störe. Vielleicht wolltest du damit auch sagen, daß Pornostars aufgrund ihrer Situation die Geräusche und Gesichter derer, die sich an ihnen aufgeilen, nicht mitkriegen und deshalb nicht über sie urteilen können und daß dir das behagt. Es stimmt, kein Mann kann vor Augen wie meinen bestehen, die viel zuviel gesehen haben, das ist ja auch der Grund dafür, daß Pädophile Kinder lieben und Frauen sich Priestern vor die Füße werfen oder Soldaten, die nach langem Aufenthalt in Feindesland zurückgekehrt sind, sie wollen sichergehen, daß die Lust noch nicht abgenutzt ist. An den Mädchen im Web war dir einiges aufgefallen, zum Beispiel, daß nie etwas aus der in ihrer Latexsterilität immerfeuchten Möse kam, nicht einmal die doch so weit verbreitete geronnene Milch, die dich manchmal rasend machte, wohl weil sie leise Zweifel in dir weckte, ob da ein anderer gewesen ist. Vollends begeisterte es dich schließlich, daß auch aus ihrem Arsch nichts kam und daß man, so weit man vordrang, nirgends Scheiße fand.
    Sie sind so sauber, hast du zu mir gesagt, vermutlich um mir zu verstehen zu geben, daß du etwas gegen meine Scheiße auf deinem Schwanz hattest, wenn du mich von hinten nahmst, und daß Scheiße die Liebe tötet, auch wenn man selbst nach ihr bohrt. Daß ich nichts für die organischen Stoffe im menschlichen Körper konnte, auf die man in höchster Erregung manchmal stößt, hat dich nicht sonderlich beruhigt, was verständlich ist, wenn man bedenkt, daß die Berührung eines Kadavers zum Tod führen kann.

    Wir redeten beide zu viel. Wir breiteten unser Inneres voreinander aus und entblößten unsere Häßlichkeit, vielleicht war das unsere Art, die Waffen zu schwingen, um den anderen zum Rückzug zu bewegen. Du hast Dinge gesagt, die nicht dazu gedacht sind, gesagt zu werden, zum Beispiel, daß du deinen Schwanz fotogra-fiertest, um daraus eine Serie zu machen, detailgetreu bis in die unzugänglichsten Stellen, eine umfassende Darstellung deines Schwanzes auf dem Bildschirm, und daß dir von allen thematisch geordneten Bildern auf deinem Computer die von deinem Schwanz am liebsten seien, weil eure Erregung in einem symmetrischen Wechselspiel sich gegenseitig beflügle. Die Dicke deines Schwanzes variiere von Tag zu Tag, hast du gesagt, das hänge von der Stärke der Erregung ab, es sei ein Problem, das letzte Stadium der Erregung festzuhalten, weil er nur wenige Sekunden seine maximale Größe habe und sofort zusammenfalle, wenn er losgelassen werde, deshalb kämst du zu früh.
    An dieser Stelle deiner Erzählung habe ich dich unterbrochen, ich kann mich sehr gut daran erinnern, wir waren im Bily Kun, Nadine war auch da, sie lehnte vor einem Glas Bier an der Bar in einem Kreis von Männern, die du kanntest, sie hatte den Kopf in den Nacken geworfen und sprühte vor guter Laune. Wir hatten wie immer Koks genommen. Um von deiner Freude über deine Fotosammlung nicht ganz ausgelöscht zu werden, berich-tete ich von einem ähnlich gelagerten Fall bei einem früheren Freier, der mir gestanden hatte, er onaniere zu der Vorstellung, daß er sich einen runterholte. Tut mir leid, Schatz, wenn ich an dem Abend deinen Vortrag über dein Leiden unterbrochen habe, statt schweigend in die Gegend zu schauen, wie es Menschen machen, die die Schande

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