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Hoerig

Hoerig

Titel: Hoerig Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nelly Arcan
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nur, daß ihre Löcher gestopft sind, und dazu müssen sie nichts weiter tun als die Hand ausstrecken und sich nehmen lassen, an solchen Orten sind Frauen wohl eher angepaßt, das fällt übrigens beim Lesen von Das sexuelle Leben der Catherine M. zuerst ins Auge, das Angepaßte. Ebenso ist erwiesen, daß kranke Menschen wie ich sich gern selbst zu Versuchs-kaninchen machen, nicht um zu gesunden, sondern um der Vernichtung nicht passiv ausgeliefert zu sein, das ist eine Frage der Würde.
    Das erste Mal begeilten sich ungefähr zwanzig Männer im Halbdunkel an drei Pärchen, die abwechselnd in verschiedenen, genau kalkulierten Blickwinkeln drei Stellungen einnahmen, Frau oben, Frau unten und Mann von hinten. Die Laute, die sie von sich gaben, wurden per Mikrofon verstärkt und mischten sich im Saal mit den Geräuschen der im Halbdunkel verteilten Wichser. Wozu das viele Halbdunkel, fragte ich mich und erinnerte mich daran, daß meine früheren Freier alle einen Beruf hatten und meist auch Familie, die öffentliche Zurschaustellung von Sex heißt vor allem, sehen ohne gesehen zu werden, man bezahlt dafür, daß man unbehelligt bleibt. Jasmine wird dich nie aus dem Bildschirm sehen. Nie wird sie etwas erfahren von den Dramen und Versöhnungen um ihre Person oder von den Prüfungen der Verrückten, die an ihr nach dem suchen, was die geliebten Männer geil macht.
    Dieses erste Mal bin ich bald gegangen, weil mir plötzlich einfiel, daß Jasmine zur selben Zeit auf dem Bildschirm deines Computers erscheinen könnte, während die Männer um mich herum wichsten, und weil die plötzliche Erkenntnis, daß ich dich am falschen Ort vermutet hatte, mich zu sehr mitnahm, als daß ich noch von den Pärchen hätte profitieren können, und da ich wußte, daß du woanders warst, wollte ich mich sofort auf die Suche machen.

    Ich habe nicht auf Freddy gewartet in der Gasse. Ich bin in mein Auto gestiegen und bei dir vorbeigefahren, ich sah, daß die Vorhänge in deinem Schlafzimmer zugezogen waren, und meine Hände begannen so zu zittern, daß ich fast die Kontrolle über das Lenkrad verloren hätte.
    Das war das letzte Mal, daß ich mich in die Nähe deiner Wohnung wagte. Kaum war ich zu Hause, rief ich Freddy an, er hatte überall im Saal nach mir gesucht und sich große Sorgen gemacht.

    Danach kehrte ich noch ungefähr zehnmal an diesen Ort zurück, um den Geräuschen zu lauschen, die die Liebe von sich gibt, wenn sie sich auf sich selbst zurückzieht, ich mußte an die Geräusche aller Männer denken, die ich kannte, auch an deine. Diese warmen Orte, dachte ich, sind wie ein Mutterbauch, in dem das leiseste Raunen so wie die tiefsten und die hellsten Gluckser zu einer Weise werden, die Welt zu erkunden, es sind nicht die Augen, dachte ich, die direkt zur Seele führen, es ist die Stimme.
    Mein Großvater sagte, daß viele Menschen Gott gehört hätten seit Anbeginn der Zeit, doch nie habe ihn jemand gesehen. Anfangs habe ich mich nicht getraut, im Saal zu wichsen, und damit gewartet, bis ich zu Hause war. Dann wollte ich es mir geräuschlos im Halbdunkel machen, um nicht als Frau erkannt zu werden, aber vergebens, ich mußte zu sehr an dich denken, ich fragte mich, wo du warst, du warst nicht da, der Bildschirm deines Computers kam mir in den Sinn, ich stellte mir grausame Szenen vor, wo du dich an anderen aufgeilst, ich sah dich dabei lächeln.

    Ich zog immer weite Sachen an, wenn ich ins Cinema L’Amour ging, wie Frauen über vierzig, um meine Brüste zu verstecken, die im Internet als zu groß für Liebhaber kleiner Brüste, aber zu klein für Liebhaber großer Brüste galten. Ich nahm immer die Sportsachen, die du bei mir gelassen hattest, die schwarze Schirmmütze, die riesige Jacke mit dem hohen Kragen, die mir bis zu den Knien reichte, und die schwarze Hose mit den weißen Streifen, die ich unten abgeschnitten hatte und so weit wie möglich auf die Hüften herunterzog, um meinem vermeintlichen Schwanz Raum zu geben. Mag sein, daß mich meine Verkleidung als Mann noch weiblicher machte, so wie die Perücke Jasmines siebzehn Jahre noch heller leuchten ließ, aber dahinter muß mein Wunsch nach Ungestörtheit deutlich zu spüren gewesen sein, jedenfalls kümmerte sich im allgemeinen keiner um mich. Außerdem interessieren sich Männer an so einem Ort vermutlich vor allem für andere Männer und haben wie ich die Augen geschlossen, wenn ihre Hand sich verstohlen ans Werk macht, um die anderen besser zu hören, wobei sie so

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