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Hoerig

Hoerig

Titel: Hoerig Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nelly Arcan
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wenn ich an deinen Pornoroman denke und an die vielen hundert Stunden, die du mit der linken Hand gewichst hast, um im Mund des Girls Nextdoor zu kommen, zu seinem kindlichen Seufzer, und wenn ich bedenke, daß wir das alles schon an diesem Abend voneinander wußten und uns trotzdem ineinander verliebten, dann, muß ich sagen, finde ich die Liebe geschmacklos.
    Von Anfang an war zwischen uns alles klar. Unser Gespräch hatte den Ton vorgegeben, in dem es nachher im Bett weiterging.
    Du hast mich im Bett oft gefesselt und mich ohne Vor-bereitung genommen, damit es so aussah, als ob ich mich wehrte, manchmal hast du mich mit beherrschter Kraft geschlagen, und ich bin vor Lust explodiert. Später habe ich selbst dich darum gebeten, was dir die Lust daran verdarb. Dann hast du mich in den Arsch gefickt. Die Lust daran, geschlagen zu werden, hatte im Grunde wenig mit den Empfindungen zu tun, es war mehr eine Lust an der Taubheit, am fehlenden Kontakt, es war wie ein Schutzschild, der mich vor deiner Stärke bewahrte; im Bett wie im Leben hast du mich unter Schock gesetzt.
    Anfangs hast du mich auch für meine Gefügigkeit geliebt, dann wurdest du meiner überdrüssig, auch wegen meiner Gefügigkeit.

    Sechs Monate nach dem Nova hast du mich nur noch aus Müdigkeit gefickt, es hätte mehr Zeit gekostet, mir zu sagen, daß du mit dem Herzen nicht mehr dabei bist und Schluß machen mußt, ich hätte nichts davon hören wollen und Erklärungen von dir gefordert, Ficken war für dich auch eine Methode, das Ganze abzukürzen und dich nicht unnötig zu verbreiten, du bliebst auf mir, um mir zu entgehen. Sechs Monate später konntest du mich nur noch mit Mühe ficken, mit der Anstrengung eines Bo-xers, dessen Gegner das K. O. noch hinauszögern will.

    Du hast mich gefickt, um Schluß mit dem zu machen, was da in deinem Bett schlief, du hast dich geärgert, daß du mein Gewicht herumschubsen mußtest, um endlich zum Höhepunkt zu kommen, und wenn es passierte, wenn die Reibung schließlich siegte über deinen zwischen meiner Gegenwart und dem Gedächtnis entrunge-nen Pornobildern hin- und hergerissenen Geist, durch-furchte ein Schmerz deine Stirn, der dir die Augen schloß, so sehr mußtest du dich darauf konzentrieren.
    Wer einmal Hure war, kennt alle Zeichen, auch die unterdrückten, das Gesicht der Männer spricht ständig zu uns, ohne daß sie es merken, wir wissen, daß man in den schlimmsten Momenten lächeln kann, wir wissen auch, daß man in guten Momenten so tun kann, als wäre nichts gewesen; bei Huren muß der Anschein stets umgekehrt gedeutet werden.

    Deine Stärke hat mich erdrückt, ich wollte ihr immer einen Namen geben, genau betrachtet, hat sie sich ein bißchen wie mein Mangel entwickelt, sie war in deinem Räuspern zu hören, das Martine morgens immer aus dem Schlaf riß, in deinen Schritten im Flur, über die Köpfe der Nachbarn hinweg, in deiner Art, meine Liebe zu dir zu behaupten – du sagtest: Ich liebe dich, und hast die Antwort gar nicht abgewartet –, in deiner Art, den Freunden im Bily Kun das Wort abzuschneiden, weil dir plötzlich einfiel, was du schon immer sagen wolltest, in deiner Art, nicht einzugreifen, wenn einer in einer Bar ein Auge auf mich warf; du hättest mir auch das Recht zugestan-den, mich verführen zu lassen. Deine Stärke bestand darin, nicht zu reagieren, dich im Hintergrund zu halten, mit der Antwort zu zögern und dann zu anderen Dingen überzugehen, du konntest dich auch von einer Lektüre fesseln lassen, wenn ich im Nebenzimmer weinte. Du hast zwanzig Versionen deines Romans geschrieben und jedesmal ein bißchen mehr daran geglaubt, du konntest mich zum Lachen bringen und dich meiner Sabotage widersetzen, du warst dir so sicher, daß es mit uns funktionieren könnte und daß das mit meinem Wahnsinn in aller Ruhe zu regeln wäre; auch das war deine Stärke. Es war deine Stärke, dein Leben toben zu lassen und dich nicht um die anderen zu kümmern, die schwer zu tragen hatten an ihrem Leben. Deine Ex-Freundin Annie nannte das einmal unbekümmert, einmal sorglos, das weiß ich, weil ich ungefähr zwanzigmal den Brief gelesen habe, den sie dir am Tag nach dem Nova geschrieben hatte, wo wir einander kennen lernten, du hast ihn mit einer Reiß-
    zwecke an die Korktafel hinter deinem Computer gehef-tet. Ich weiß es, weil ich ihren Brief jedesmal gelesen habe, wenn ich allein in deinem Zimmer war und nicht an die denken wollte, mit denen du vielleicht im Moment zusammen warst.

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