Hoffnung am Horizont (German Edition)
Schimmel und die Kuh vorher durch das Flussbett geführt und sie auf der anderen Seite festgebunden hatte, hatte er ihr nicht erlaubt, mehr als ein paar kleine Steine aufzuheben. Dafür war sie angesichts der Umstände insgeheim sehr dankbar. Es war ihr gelungen, sich im Laufe dieses Tages zweimal in den Wagen zu schleichen und nachzusehen, ob sie immer noch blutete. Sie war erleichtert, dass sie keine neuen Blutspuren gefunden hatte. Gott hatte ihre Gebete anscheinend doch erhört.
Matthew schüttelte den Kopf. „Ich muss nur noch diese letzten paar Steine aus dem Weg räumen. Dann können wir versuchen, hinüberzufahren.“ Er schaute wieder in Richtung Norden. „Wir müssen hinüberkommen, bevor dieses Gewitter ausbricht. Sonst kann es uns passieren, dass wir einen oder zwei Tage auf dieser Seite festsitzen. Oder noch länger.“
Sie schaute das Flussbett mit gerunzelter Stirn an. „Glaubst du wirklich, dass so viel Regen fallen könnte?“
Er rollte seine verspannten Schultern. „Wenn sich die Gewitterwolken so heftig entladen, wie ich vermute, wird sich dieses Flussbett innerhalb weniger Minuten füllen. Die Erde ist trocken, aber sie ist von der Sonne gehärtet. Sie kann das Wasser nicht schnell genug aufsaugen.“ Er deutete zum Nordufer. „Auf dieser Seite ist es auch um einiges steiler. Das ist nicht schlecht, aber sobald es anfängt, stark zu regnen, verwandelt sich das Ufer im Handumdrehen in Matsch.“
„Dann sollten wir beten, dass es erst regnet, wenn wir sicher auf der anderen Seite sind.“
„Glaube mir, ich bete schon längst.“ Er schob sich in die Höhe. Sein Gesicht sah müde und angespannt aus.
Sie nahm seine leere Feldflasche. „Ich sorge dafür, dass im Wagen nichts verrutscht.“
Er lächelte. „Du hast dich hier draußen besser gemacht, als ich erwartet hätte.“
„Du dich auch“, erwiderte sie ohne zu zögern und genoss sein Grinsen. „Ich überlege mir, ob du eine Lohnerhöhung bekommst.“
Er lachte. „Nach diesem Tag nehme ich sie vielleicht sogar an. Oder ein paar warme Brötchen mehr.“
„Abgemacht. Und dieses Mal mit Soße!“
Ein entzückter Blick trat in seine Augen, als schmecke er das Essen bereits. „Das ist doch etwas, für das ein Mann gerne arbeitet.“ Er zwinkerte ihr zu und ging wieder an seine Arbeit.
Annabelle konnte sich nicht vom Fleck rühren und beobachtete, wie er einen großen Felsen hochhievte. Matthew Taylor sah einfach zu gut aus. Und als er ihr eben zugezwinkert hatte … Da sein wachsames Auge sie nicht sehen konnte, fächerte sie sich theatralisch frische Luft zu.
In diesem Moment kam ein starker Wind auf und drückte ihren Rock an ihre Beine. Sie schaute in Richtung Norden zu den Gewitterwolken und ließ ihren Blick besorgt über die offene Prärie im Südosten wandern. Plötzlich kam sie sich sehr klein vor.
* * *
Eine Stunde später saß sie mit den Zügeln in der Hand auf dem Kutschbock. Ein kühler, starker Wind peitschte von Nordwesten her über die Prärie. Er brachte den Geruch von Regen mit sich und wirbelte Staubwolken auf. Steppenläufer, große Salzkrautbüschel, wurden vom Wind über die Prärie getrieben, so als versuchten sie, dem Gewitter den Rang abzulaufen. Kohlschwarze Wolken bedeckten den Himmel über ihr, sperrten die Sonne aus und warfen einen grauen Schleier über die Berge in der Ferne.
Matthew stand da und umklammerte das Geschirr der beiden Schimmel. „Halte einfach die Zügel fest“, wies er sie an. „Tu nichts, solange ich es dir nicht sage.“ Er bedachte sie mit einem halbherzigen Lächeln. „Bist du so weit?“
„Fertig!“, rief sie mit mehr Zuversicht, als sie empfand. Sie stellte die Beine leicht auseinander auf den Wagenboden, um besser das Gleichgewicht halten zu können, wie er es ihr gezeigt hatte. Auf sein Zeichen hin ließ sie die Zügel schnalzen. Der Wagen ruckelte und schaukelte, als die Räder zwischen den unebenen Rinnen, die das trockene Flussbett durchzogen, Halt suchten. Ohne Vorwarnung kippte der Wagen nach links. Die Räder protestierten ächzend, und hinten rutschten die Kisten und Truhen auf eine Seite.
Matthew hielt eine Hand hoch und sie zog an den Zügeln, wie er es ihr vorher erklärt hatte.
Sie beugte sich hinüber, um zu sehen, wo das Problem liegen könnte. „Was ist passiert?“
Er trat neben den Wagen und bückte sich nach unten. Er fuhr mit einer Hand über die Räder. „Sie halten ganz gut. Wir sind nur in eine Rinne gerutscht, das ist
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