Hoffnung am Horizont (German Edition)
denken, was sie getan hatte? Was sie gewesen war?
Matthew betrachtete die dunkle Locke, die immer noch um seinen Finger lag. Dann zog er langsam seine Hand weg, bis die Locke schließlich von seinem Finger rutschte.
Selbst wenn er gerne tiefere Gefühle für Annabelle hegen wollte, würde ihre Vergangenheit und seine Vergangenheit das nie zulassen.
* * *
Mit zitternder Hand starrte Annabelle die Blutflecken an, die das weiße Tuch dunkel färbten. Sie schaute hinter sich, um sich zu vergewissern, dass Matthew von seinem Erkundungsritt mit Manasseh noch nicht zurück war, dann prüfte sie es noch ein zweites Mal. Und ein drittes Mal. Jedes Mal fand sie frische Flecken auf dem Tuch.
Sie fuhr mit der Hand über ihren Unterleib und lehnte sich an den Wagen zurück. Sie konnte sich das nicht erklären. Sie hatte in den letzten Tagen keine Schmerzen gehabt, sie hatte sich nicht zu sehr angestrengt, und sie hatte genug Ruhe gehabt, genau wie Dr. Hadley ihr geraten hatte. Er hatte gesagt, dass Blutungen während einer Schwangerschaft nicht völlig ungewöhnlich seien. Ihrem Baby ging es also wahrscheinlich immer noch gut. Und es war nicht viel Blut. Nur ein paar Tropfen.
Sie versuchte, den nächsten Gedanken zu unterdrücken, aber er drängte sich ihr trotzdem auf. Ihr wurde ganz kalt vor Angst. Was wäre, wenn sie Jonathans Kind verlöre? Sie schloss die Augen, und ein schwaches Stöhnen kam über ihre Lippen.
Sie atmete schnell ein und fühlte, dass ihre Wangen feucht wurden. Als sie in der Ferne Pferdehufe auf dem harten Prärieboden hörte, rückte sie ihre Röcke zurecht und versteckte das Tuch. Nachdem sie sich Wasser über die Hände gegossen und sie an ihrer Schürze abgetrocknet hatte, trat sie hinter dem Wagen hervor.
Matthew war immer noch ein Stück entfernt und sie schaute ihm zu, wie er von Nordwesten her ins Lager geritten kam. Er und der Wallach bewegten sich wie ein einziger Körper, während sie über die Prärie von Wyoming flogen und Staubwolken hinter sich aufwirbelten. Anscheinend mochte das Pferd diese Ausritte am frühen Morgen genauso sehr wie Matthew.
Sie kamen gut voran und waren vor drei Tagen am Independence Rock und am Devil’s Gate vorbeigefahren. Diese Naturwunder waren in ihrer Schönheit atemberaubend und weckten in ihr ein Gefühl von Gemeinsamkeit mit den vielen tausend Menschen, die vor ihnen diesen Weg gefahren waren, von denen einige ihre Namen in das Granitgesicht des Independence Rock geschnitzt hatten.
Annabelle bückte sich, um nach dem Kaffee zu schauen. Dann hob sie den Deckel der gusseisernen Pfanne hoch. Das Maisbrot war goldbraun und knusprig, genauso wie sie es mochte. Aber ihr war der Appetit vergangen.
Sie reichte Matthew eine Tasse Kaffee, als er auf sie zutrat. „Vorsicht. Er ist heiß.“
Er schüttelte den Kopf und ein Grinsen zog über sein Gesicht. „Das sagst du mir jeden Morgen. Als hätte ich nicht gesehen, dass du den Topf gerade vom Feuer genommen hast.“ Er trank einen vorsichtigen Schluck. „Mmmm … dein Kaffee schmeckt gut. Danke.“
Sie zwang sich zu einem Lächeln. „Bitte.“
Er sah sie aufmerksam an und wandte den Blick wieder ab. Dann konzentrierte er sich auf seine Tasse. Ihm ging offensichtlich etwas durch den Kopf.
Sie erinnerte sich an die Nacht, in der die Wölfe sie angegriffen hatten, und an den gequälten Schmerz, den sie in seinem Gesicht gesehen hatte, als sie ihn geweckt hatte. In diesem Moment hatte sie gewusst, dass er mit etwas kämpfte – mit schlechten Träumen, quälenden Erinnerungen, Bedauern, etwas, das ihn in den Klauen hielt und nicht losließ. Sie kannte Geschichten aus Matthews Kindheit und wusste, dass sie ohne Zweifel viel Stoff für seinen gequälten Schmerz lieferten.
Der Blick in seinem Gesicht, als er ihr vor einigen Tagen von Sadie berichtete, hatte auch Bände gesprochen. Sie hatte ihn spontan umarmen wollen – für sie selbst genauso überraschend wie für ihn –, aber war dann zurückgewichen und hatte seine Verärgerung gespürt.
Sie schenkte sich eine Tasse Kaffee ein und setzte sich auf eine umgedrehte Kiste. „Hast du bei deinem Ausritt heute Morgen irgendetwas gefunden?“
„Die nächsten drei Kilometer ist alles frei, aber dann kommen wir an ein ausgetrocknetes Flussbett, das uns einiges Kopfzerbrechen bereiten könnte.“ Er setzte sich ihr gegenüber „Ich bin in beide Richtungen ein Stück geritten und habe versucht, eine bessere Stelle zu finden, an der wir das Flussbett
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