HOFFNUNG AUF DAS GROSSE GLÜCK
gewisser Weise habe ich das bedauert. Ich mochte ihre Unternehmungslust. Ich vermisse sie.“
Hugo schwieg. Richard sprach, als hätte Emma sich in ein vollkommen anderes Wesen verwandelt, in etwas wie eine hübsche Puppe. Wie kam er darauf, dass ihre Unternehmungslust verschwunden sein könnte? Er kannte sie so lange, ihm musste doch aufgefallen sein, dass Emma unter der angepassten Fassade derselbe Mensch geblieben war. War das nicht offensichtlich?
„In einer Hinsicht jedoch ist sie das Mädchen geblieben, das sie war“, fuhr Richard fort. „Ich kann dir gar nicht sagen, wie viele Anträge ihr schon gemacht wurden. Sie hat allen einen Korb gegeben. Sie ist bereits die Herrin eines eigenen Haushalts und überdies eine reiche Erbin, sodass sie es sich leisten kann, wählerisch zu sein. Aber ich denke, Sir Edward sorgt sich allmählich, dass er seine Enkel nicht mehr sehen könnte. Er betet sie an, und sie weiß genau, wie sie ihn um den kleinen Finger wickeln kann – was sie ohnehin mit fast jedem Mann tut, dem sie begegnet. Ihre Manieren mögen makellos sein – gleichwohl warne ich dich: Sie ist es gewohnt, ihren Kopf durchzusetzen.“
„Vielleicht hat Sir Edward gehofft, du würdest um seine Tochter anhalten“, meinte Hugo. „Schließlich …“
„Es gab eine Zeit, da habe ich daran gedacht“, unterbrach ihn Richard ein wenig verlegen. „Dann allerdings begegnete ich Jamie …“
Hugo nickte. Eine Verbindung mit Emma Fitzwilliam wäre eine geschäftliche Übereinkunft gewesen, aus Vernunftgründen zustande gekommen, während Richards Vermählung mit Jamie eine Herzensangelegenheit war. Hugo holte tief Luft und schloss vor Schmerz die Augen. Er neidete Richard sein Glück. Wenigstens sich selbst musste er das eingestehen.
Es gab eine Zeit, da hatte auch er gehofft, irgendwann aus Liebe zu heiraten – nun jedoch würde er überhaupt niemals eine Ehe eingehen. Liebe – genau wie eigene Kinder –, das war nichts für ihn. Keine Frau würde einen Krüppel nehmen – vor allem nicht, wenn seine Ehre genauso Schaden genommen hatte wie sein Körper. Ein bequemes Heim und Dienstboten, die für ihn sorgten, waren das Höchste, was er sich erhoffen konnte. Wenigstens war er vermögend genug, um sich diese Dinge leisten zu können. Irgendwie würde er es schaffen, ein eigenständiges Leben zu führen, selbst wenn die Welt ihn ausgestoßen hatte. Er würde lernen, allein zu überleben.
Emma spürte, dass Hugo sie vom Haus her beobachtete, indes wollte sie sich um keinen Preis umdrehen. Er sollte nicht sehen, wie sehr ihre Begegnung sie verwirrt hatte.
„Nur ein kleines Stück noch, Juno“, ermunterte sie ihre Stute und streichelte den glänzenden Hals des Tieres. „Dann schützen uns die Bäume vor seinen Blicken. Wir werden die Abkürzung über die Felder nehmen. Ich denke, ein Galopp würde uns beiden guttun.“
Die Ohren des Pferdes zuckten, als hätte es sie verstanden.
Während Juno ganz allein den vertrauten Heimweg von Harding nach Longacres wählte, ritt Emma gedankenverloren weiter. Etwas ging ihr im Kopf herum, eine vage Erinnerung an Hugo Stratton. Doch jedes Mal, wenn sie versuchte, den Gedanken festzuhalten, schien er wie eine Seifenblase davonzuwehen.
„Ach, dummes Zeug“, seufzte sie und unterdrückte den Fluch, der ihr um ein Haar entschlüpft wäre. „Für einen Tag habe ich mich schlecht genug benommen. Jetzt sollte ich mich mal wieder als Dame gebärden – zumindest, sobald ich zu Hause bin.“ Sie stieß der Stute die Fersen in die Flanken. „Komm schon, Juno“, trieb sie sie an. „Zeigen wir’s ihnen!“
Das Pferd flog über die Wiesen, als wäre der Teufel persönlich hinter ihm her. Als sie die Stallungen erreichten, war es von Schweiß bedeckt und Emma außer Atem. Aber wenigstens waren sie schnell nach Hause gelangt.
„Wo, um Himmels willen, sind Sie gewesen, Miss Emma?“, rief der alte Stallknecht und griff nach den Zügeln. „Ihr Vater ist außer sich. Er …“
Emma glitt aus dem Sattel und beendete die Tirade des alten Mannes mit einem entschuldigenden Lächeln und einer leichten Berührung seines Armes. „Einer der Pächter erzählte mir, dass Lord Hardinge wieder da ist, also sprach ich dort vor. Es lag auf meinem Weg … mehr oder weniger“, fügte sie hinzu und hoffte nicht zu erröten. „Indes bin ich wohl zu lange geblieben. Ist Papa arg in Sorge?“
„Nun, er hat bislang nicht begonnen, die Wälder absuchen zu lassen, Miss Emma, obwohl ich zu
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