HOFFNUNG AUF DAS GROSSE GLÜCK
zuhören zu müssen. Am gegenüberliegenden Ende des Raumes, bei den französischen Fenstern, gab es einen geschützten Winkel. Von dort aus konnte er beobachten, wie die jungen Männer Emma umschwärmten. Und falls das Zusehen zu qualvoll werden sollte, könnte er in die segensreiche Abgeschiedenheit des Gartens fliehen.
Er bemerkte, dass Kit sich so charmant gab wie immer. Während die Herren sich um Emma scharten, versuchten die weiblichen Wesen jeden erdenklichen Trick, um Kits Beachtung zu erlangen. Alle außer Emma. Sie widmete dem grässlichen Mr. Frobisher ihre gesamte Aufmerksamkeit. Er belagerte das arme Mädchen schon den ganzen Abend, und jetzt …
Plötzlich war Hugo alarmiert. Offensichtlich entfaltete der genossene Wein allmählich seine Wirkung, denn Frobisher begann Emma in einer höchst unschicklichen Weise zu berühren.
Ehe Hugo seine steifen Glieder in Bewegung zu setzen vermochte, mischte sein Bruder sich bereits ein. „Ich denke, Sie haben unsere Gastgeberin lange genug okkupiert, Frobisher“, sagte er leichthin. „Es wird Zeit, den anderen eine Chance zu geben, oder?“ Er bot Emma den Arm. „Darf ich Sie im Raum herumführen, Miss Fitzwilliam? Es wird ein wenig stickig, vor allem in dieser Ecke.“
Hugo ertappte sich bei einem Lächeln. Kit machte das sehr gut. Frobisher war sprachlos. Hatte er Kits Anspielung begriffen? Vermutlich nicht. Vor allem, da sein Verstand vom Alkohol benebelt war.
Emma und Kit gaben ein schönes Paar ab. Und Emmas vorherige Feindseligkeit Kit gegenüber schien völlig verschwunden. Das kann nicht nur Dankbarkeit sein, weil Kit sie vor Frobisher gerettet hat, befand Hugo. Die beiden lachten miteinander, als wären sie seit Jahren befreundet – und vielleicht sogar mehr als das. Warum sollte Kit auch nicht bei der begehrenswertesten Frau im Raum Erfolg haben? Jedenfalls schien er von Emma beeindruckt zu sein, und das lag gewiss nicht allein an ihrer Schönheit, denn hübsche Frauen hatte Kit während seiner kurzen Zeit in der Stadt genug kennengelernt. Nein, Emma passte in jeder Beziehung zu ihm, vor allem in der Unabhängigkeit des Geistes. Sie stellte die anderen Damen in den Schatten.
Nachdem alle Gäste etwas dargeboten hatten, war die Reihe an Emma. Sie versuchte zwar, sich den Überredungskünsten ihrer Tante zu widersetzen, doch ihr Protest währte nicht lange. Mrs. Warenne erinnerte ihn an den heißen Wind in Spanien, der von Afrika her wehte – ein kluger Soldat lernte bald, dass man ihn einfach erdulden musste.
Hugo lehnte sich zurück und ließ sich von Emmas Stimme verzaubern. Es war das erste Mal, dass er sie singen hörte – und es klang wunderschön. Ihre Tonlage war tiefer, als er es erwartet hatte, und voller süßer Wärme. Sie intonierte die schlichte italienische Ballade mit echtem Gefühl, liebkoste gleichsam jedes Wort, als wäre sie selbst das verlassene italienische Mädchen, das um seine Liebe weinte.
Der begeisterte Applaus verebbte, als der Tee gebracht wurde. Emma entzog sich einer Zugabe, indem sie sich gleich daranmachte, allen Anwesenden aus der silbernen Kanne einzuschenken. Frobisher war unter den Ersten, die zu ihr traten, und er schien entschlossen, nicht von ihrer Seite zu weichen. Hugo ballte die Hände zu Fäusten.
„Würden Sie bitte in der Bibliothek Bescheid sagen, dass der Tee serviert ist, Godfrey?“, bat Emma. Wie immer galt ihre Sorge zuvorderst dem Wohlergehen ihrer Gäste.
„Die Gruppe hat sich bereits aufgelöst, Miss Emma“, erwiderte der Butler. „Die Damen Hardinge lassen sich entschuldigen. Sie wollten sich zurückziehen, ohne Ihre Darbietung zu stören. Lord Hardinge und Sir Edward befinden sich im Billardzimmer.“
Hugo sah Emmas Mienenspiel an, dass sie sich von ihrem Vater im Stich gelassen fühlte und enttäuscht war. Es überraschte ihn daher nicht, zu hören, dass sie Frobisher nahelegte, sich ebenfalls zum Billardtisch zu begeben. Sie musste der Gesellschaft dieses Gentleman nach dem heutigen Abend von Herzen überdrüssig sein. Zu ihrem Unglück schien Frobisher den Wink nicht zu verstehen.
Wieder mischte Kit sich ein. Er packte Frobisher am Arm und sagte: „Großartige Idee, Madam. Ich weiß, dass unser Freund hier mit dem Queue ein wahrer Teufel ist.“ Frobishers Tasse reichte er Emma, die ihn voller Wärme ansah. „Sie haben doch keine Angst, wenn ich Sie herausfordere, oder, Frobisher?“, fuhr Kit fort. Der Sarkasmus in seiner Stimme war unüberhörbar.
Hugo empfand beinahe
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