HOFFNUNG AUF DAS GROSSE GLÜCK
scheint genau zu der Sorte Mensch zu gehören, die ich lieber gar nicht erst kennenlernen möchte.“
Beim Dinner ein paar Stunden später stellte Emma überrascht fest, dass Tante Augusta sie zwischen Kit Stratton und den Ehrenwerten James Frobisher platziert hatte, einen Gentleman von beispielloser Langweiligkeit. Emma als geübte Gastgeberin verhielt sich zu beiden Herren gleichermaßen höflich und freundlich. Hätte jemand beobachtet, wie sie Mr. Frobishers selbstherrlichen Ausführungen lauschte, wäre ihm nicht aufgefallen, wie sehr sie sich danach sehnte, sich ohne Anstoß zu erregen wieder Kit zuwenden zu können. Er zumindest vermochte über andere Themen zu plaudern als über sich selbst, sein Geschick beim Jagen und den weitläufigen Grundbesitz seiner Familie.
Kit war offensichtlich entschlossen, sich von seiner liebenswürdigsten Seite zu zeigen. Und außerdem – davon war Emma überzeugt – hatte er beschlossen, dafür zu sorgen, dass die Konversation sich keinesfalls um seinen rätselhaften älteren Bruder drehte. Emma fügte sich und gestattete ihm, ihre leichte Unterhaltung zu lenken. Da Hugo an derselben Seite der Tafel saß, jedoch an deren anderem Ende, konnte sie nicht beurteilen, ob es den anderen Gästen gelang, ihn aus der Reserve zu locken. Doch das würde sie später von ihrem Vater erfahren.
„Also mussten wir zwangsläufig so tun, als gehörte das Taschentuch seiner Mutter“, schloss Kit und beendete damit eine etwas gewagte, indes höchst amüsante Anekdote.
Emma lachte wie alle anderen, die zugehört hatten. Kit konnte zweifellos sehr amüsant erzählen. Die neidischen Blicke, mit denen einige der anwesenden jungen Damen sie bedachten, entgingen ihr nicht. Weil es der Anstand gebot, hatte Tante Augusta ein paar Debütantinnen einladen müssen, zusammen mit einer Reihe von potenziellen Heiratskandidaten. Es war allerdings kaum zu übersehen, dass Tante Augusta ausschließlich solche Damen gewählt hatte, die von ihrer Nichte in den Schatten gestellt wurden. Zwei von ihnen waren hübsch, aber dumm, die anderen beiden ziemlich unscheinbar. Und natürlich war keine von ihnen eine reiche Erbin wie Emma. Kein Wunder, dass sie sie so böse ansahen. Nicht nur, dass sie von der Einladung des Duke of York ausgeschlossen worden waren, der bestaussehende Gentleman im Raum widmete seine Aufmerksamkeit nun auch noch ausschließlich ihr.
Miss Mayhew, die nicht nur unansehnlich, sondern in Emmas Augen zudem ungebildet war, betrachtete Kit Stratton schmachtend. Emma war froh, dass Kit tat, als merkte er nichts davon – obwohl die junge Dame ihre linkischen Annäherungsversuche vermutlich fortsetzen würde, wenn man sich später im Salon versammelte. Selbst wenn Kit ihr Verhalten weiterhin mit Anstand ertrug, wäre es peinlich für die anderen Gäste. Zwar hatte Miss Mayhews Mutter darauf bestanden, ihre Tochter zu der Gesellschaft zu begleiten, indes unternahm sie rein gar nichts, deren unpassendes Benehmen zu unterbinden. Es blieb Tante Augusta überlassen, das Mädchen beiseite zu nehmen.
Als Mrs. Warenne sich erhob und damit den Damen das Signal zum Aufbruch gab, wäre Mr. Frobisher um ein Haar über seinen Stuhl gefallen, so sehr beeilte er sich, Emma zu helfen. Seine Finger streiften ihre bloße Schulter – mit Absicht, wie sie vermutete. Sie empfand überhaupt nichts dabei. Mr. Frobisher wirkte auf sie weder anziehend noch abstoßend, er ließ sie völlig kalt, während ihr schon bei der kleinsten Berührung von Hugo Strattons Fingern heiß wurde – selbst durch mehrere Schichten Stoff hindurch. Sie versuchte sich zu erinnern, ob das bereits vor jenem unglaublichen Kuss der Fall gewesen war, aber sie vermochte es nicht zu sagen. Hatten sie einander bis zu jenem schicksalsschweren Tag in Jamies Gewächshaus eigentlich jemals berührt? Sie mussten sich doch bei ihrer Wiederbegegnung die Hände geschüttelt haben … Und bei späteren Treffen ebenfalls, oder?
Es hatte keinen Zweck, sie brauchte einen klaren Kopf, um sich genau besinnen zu können. Leider schien sie den, wenn es um Major Hugo Stratton ging, nicht erfolgreich bewahren zu können.
10. KAPITEL
„Vielleicht möchten Sie uns mit etwas Musik erfreuen, Miss Mayhew?“ Emma war entschlossen, freundlich zu dem Mädchen zu sein, vor allem, weil es von Tante Augusta irgendwann im Laufe des Abends einiges zu hören bekommen würde. „Wissen Sie, Sie haben eine so hübsche Stimme. Einige der Herren äußerten sich bereits
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