HOFFNUNG AUF DAS GROSSE GLÜCK
würde ihr sagen, dass diese Blüten vergänglich seien, seine Liebe jedoch ewig währte. Er würde sie in die Arme nehmen und …
Der Mond verschwand hinter einer Wolke. Emma sank auf eine Steinbank und schloss die Augen. Noch immer sah sie den Zaubergarten vor sich. Sie wusste, dass sie träumte, doch sie war nicht imstande, den Bann zu brechen, der sie gefangen hielt. Dieser Zustand war unendlich betörend … Sie würde sich davon forttragen lassen, nur eine kleine Weile. Sie legte eine Hand auf den kühlen Stein, strich sacht darüber und fragte sich, wie es sich wohl anfühlte, einen Mann zu liebkosen, seine Haut unter ihren Fingern zu spüren …
Jemand umfasste ihre Hand. Sie öffnete die Augen, ohne etwas zu erkennen. Dann wurde sie hochgezogen und von starken Armen umfangen. Sie wusste nun, Hugo hatte ihr stummes Flehen gehört und war zu ihr gekommen. Und er würde sie küssen und diese wunderbaren Gefühle neu erwecken, die sie, wie es schien, seit Ewigkeiten für ihn empfand.
Der Schmerz durchzuckte Hugo wie ein Messerstich, aber er konnte seine Augen nicht von dem Anblick abwenden. Die Frau, die er liebte, lag in den Armen seines Bruders! Bei Gott, diesmal hatte Kit sich selbst übertroffen. Gestern noch waren die beiden Gegner gewesen, jetzt küssten sie sich wie Romeo und Julia. Nur dass Kit Stratton kein Romeo war und nicht treu bis in den Tod, eher ein Don Juan. Es würde nicht lange dauern, bis Emma das herausfand. Und das sollte ihre gerechte Strafe sein.
Hugo ließ sich von seinem Zorn überwältigen, denn wenigstens überlagerte er die Qual seines Herzens. Er suchte nach einem Fluchtweg, doch es gab lediglich den einen Zugang zu dem kleinen Garten. Man würde ihn sehen, wenn er dort hindurchschlüpfen wollte. Hugo schloss die Augen und versuchte, seinen Zorn weiter anzustacheln, indem er das grausame Bild wieder lebendig werden ließ. Emma hatte sich nicht nur mit seinem Bruder verabredet, sondern obendrein dafür gesorgt, dass er für ihr frivoles Verhalten das Publikum bot. Verdammt sollte sie sein! Sie war …
Der Aufschrei einer Frau durchbrach die Stille.
„Mr. Stratton! Miss Fitzwilliam!“ Die schrille Stimme gehörte einer schmalen Gestalt in weißem Musselin, die wie erstarrt zwischen den dunklen Büschen am Eingang des verwunschenen Gartens stand. „Oh, wie konnten Sie nur?“ Die Gestalt machte kehrt und floh zurück zum Haus.
Kit und Emma waren auseinander gefahren – indes, einmal entdeckt, vermochten sie ihre Schuld nicht zu verbergen. Im ersten Moment empfand Hugo Genugtuung bei der Vorstellung, was den beiden jetzt bevorstand, vor allem, als er eine Andeutung von Selbstzufriedenheit auf dem schönen Gesicht seines Bruders zu entdecken glaubte. Was nun passieren würde, geschah ihnen ganz recht.
Ein einziger Blick zu Emma jedoch genügte, um jeden boshaften Gedanken zu vertreiben.
Sie war vollkommen außer sich. Sie starrte Kit Stratton an, als sähe sie ihn zum ersten Mal.
Dann wich sie einige Schritte von ihm zurück, als hätte sie ein Ungeheuer vor sich. Sie presste die Hände an ihre glühenden Wangen. Ihre Augen wirkten groß, ängstlich und im Zwielicht beinahe schwarz.
„Mr. Stratton!“ Ihre Stimme war nicht mehr als ein Flüstern, bebend vor unterdrückten Gefühlen. „Wie konnten Sie nur?“, wiederholte sie, was die Frau vorhin geschrien hatte. „Ich dachte … ich dachte, ich sei – Oh Gott, warum sind Sie mir bloß gefolgt?“ Sie kehrte ihm den Rücken zu und lehnte ihre Stirn an den Rosenbogen. Ihre Schultern zuckten.
Kit wollte sie beruhigen, doch sie wehrte ihn ab. „Bleiben Sie weg von mir“, stieß sie hervor, drehte sich zu ihm um und sah ihn an. „Wie konnten Sie es wagen, mich anzufassen? Sie haben mich ruiniert. Das sollte Ihnen genügen.“
Kit stand reglos da, unentschlossen. Jetzt endlich wirkte er schuldbewusst, aber auch verwirrt. „Miss Fitzwilliam, ich …“
Emma unterbrach ihn. „Es gibt nichts, das Ihr Verhalten entschuldigen könnte. Gehen Sie.“ Als er zögerte, richtete sie sich zu ihrer vollen Größe auf und rief: „In Gottes Namen, gehen Sie endlich!“
Kit schluckte, verneigte sich beinahe so elegant wie immer und verschwand.
Emma stand reglos da, bis er außer Sichtweite war. Dann brach sie schluchzend auf der Steinbank zusammen.
11. KAPITEL
Plötzlich war es sehr kalt geworden. Emma schlang die Arme um ihren Leib, um das Zittern zu unterdrücken, das sie auf einmal überkommen hatte. Die Tränen rannen
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