Hoffnung ist Gift: Roman (German Edition)
sind. Da draußen sitzt ein Mensch, eine reale Person, die tatsächlich imstande wäre, den Worten Glauben zu schenken, die aus meinem Mund kommen, diese nicht sofort als Gefasel und Schutzbehauptungen abtut.
»Sie haben Zeugen, Jeff«, sagt er mir. »Zwei Drogenhändler, die behaupten, sie hätten Sie mit dem Mädchen gesehen.«
»Erzählen Sie mir keinen Stuss.«
»Nein. Deshalb haben sie mir auch gar nicht zugehört, als ich ihnen mit Brightwell gekommen bin. Ich hab mit ihren Zeugen gesprochen. Die sitzen drüben bei den Normalos ein, hier in diesem Gefängnis. Zwei der übelsten Streuner, die dir je untergekommen sind. Angeblich haben sie Sie in South Dallas in einem Taxi gesehen. Sie hätten an einem Lebensmittelladen im Spanischen Viertel angehalten, um eine Limo zu kaufen. Am Rücksitz, sagen die beiden, hätten sie das Mädchen gesehen.«
»Ich war den ganzen Tag nicht in South Dallas gewesen«, protestiere ich. Watson nickt mir zustimmend zu.
»Wenn die beiden Kerle gegen Sie aussagen, wird deren eigene Anklage fallengelassen.«
Ungläubig schüttle ich den Kopf. »Sie wissen genau, was hier abläuft, nicht wahr? Ich meine, Sie sehen doch, was hier passiert?« Seine Augen sind voller Mitgefühl. Einen ähnlichen Blick werfen Sanitäter oder Notärzte auf die Opfer von Verkehrsunfällen, wenn sie diese schwerverletzt auf der Straße vorfinden. Mein Fall stellt mich auf dieselbe Stufe wie das Opfer eines Unfalls mit Fahrerflucht, mit offenem Bauch und herausquellenden Gedärmen am Boden liegend. Irgendwie muss ich diesem Mann klarmachen, dass er auf keinen Fall aufgeben darf. Es kann einfach nicht sein, dass er die Hände resigniert in den Schoß fallen lässt und irgendwas wie »keine Chance« murmelt. Er muss bitteschön dranbleiben. Gerade eben sieht er mich an, als ob ich bereits tot wäre.
»Was die gegen Sie in der Hand haben …« – Watson ringt nach den geeigneten Worten; er will seine Meinung zum Ausdruck bringen, ohne die Kollegen zu verunglimpfen, ohne diese unsichtbare Grenze der Kollegialität zu überschreiten –, »… das ist nicht immer wasserdicht«, sagt er schließlich.
»Sie müssen diesen Brightwell finden«, sage ich. »Sprechen Sie mit meinem Anwalt.« Ich stammle nur mehr, die Worte sprudeln aus mir raus. Er mag noch so frustriert sein, es wird niemals heranreichen an die Frustration eines Mannes, der dreiundzwanzig Stunden am Tag in einem Betonkasten verbringt und nichts anderes zu tun hat als zuzuschauen, wie die Frustration langsam seine inneren Organe auffrisst. Regelmäßige Magenschmerzen habe ich mir inzwischen schon geholt!
Er starrt durch das Glas zurück auf mich und nickt. Als Officer Zeke kommt, um mich zu holen, forsche ich nach Anzeichen von Hoffnung oder Entschlusskraft in seinen Augen, doch außer einem traurigen Blick ist nichts zu sehen.
Zeke bringt mich in den »Pausenhof«, wo ich ganz wild darauf bin, meine Geschichte von dem Bullen zu erzählen, der sich auf meine Seite geschlagen hat, ehe ich der bleiernen Stimmung gewahr werde, die hier herrscht. Wie es aussieht, hat Clarence seinen Exekutionstermin bekommen.
Wenn hier einer seinen Termin bekommt, dann fühlen sich alle betroffen. Nicht so sehr aus brüderlichem Mitgefühl als vielmehr deshalb, weil so ein Termin für einen von ihnen auch alle anderen daran erinnert, dass sie sich hier im Todestrakt befinden. Du genießt ein paar fröhliche Pausen hintereinander, vertiefst dich in ein besonders spannendes Buch – schon hast du die tragische Wahrheit vergessen. Du bist dir bewusst, dass du im Knast sitzt, das schon, doch hast du vergessen, warum du dich in diesem besonderen Teil des Gefängnisses befindest. Die menschliche Fähigkeit, die Tatsache des Todes zu verdrängen, steht auch jenen noch zu Gebote, denen er in absehbarer Zeit bevorsteht – nicht aber denen, die ihren Termin bekommen haben.
Ich selbst bin noch ohne Verhandlung und also jedenfalls kein zum Tode Verurteilter, weshalb ich in dieser Situation das Gefühl habe, in der Unterstützergruppe der drei Kollegen, die um Clarence herumstehen, nicht wirklich willkommen zu sein. Nach wie vor habe ich keine Ahnung, was Clarence angestellt hat, um hier zu landen, und noch immer kenne ich von keinem hier auch nur den Nachnamen. Ich bin erst seit ein paar Wochen hier und empfinde ein wenig so wie in meiner ersten Woche an einer neuen Highschool – dass es am besten ist, ich kümmere mich erstmal nur um meinen eigenen Kram. Ich gehe zur
Weitere Kostenlose Bücher