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Hoffnung ist Gift: Roman (German Edition)

Hoffnung ist Gift: Roman (German Edition)

Titel: Hoffnung ist Gift: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Iain Levison
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für meine eigenen Renovierungsarbeiten benötigt habe. Aber jemandem in die Augen zu schauen und wissentlich etwas Unwahres zu behaupten, erscheint mir bei weitem schlimmer als alle diese Handlungen. Ein regelrechter Anschlag ist das, eine Verbalattacke, mit der du die Würde der belogenen Person beschädigst. Außerdem und vor allem anderen ist so ein Verhalten die reine Zeitverschwendung.
    Später kommt der Doktor nochmal rein und fragt mich, wie es mir geht.
    »Gut«, sage ich seufzend.
    Er zieht mein Hemd hoch, sieht sich die Operationswunde und die Naht an. »Die können sie in der Ambulanz dann rausnehmen«, sagt er jovial. »Sie sind fit genug, uns wieder zu verlassen.« Er schlägt das Hemd zurück und geht grußlos ab, was allerdings – zumindest meinem Eindruck nach – mit meinem Insassen-Status nichts zu tun hat.
    Die nächsten paar Stunden verbringe ich damit, durch das Fenster die Büroangestellten auf der anderen Straßenseite zu betrachten. In einem Fenster ist ein Mann mit schütterem Haar in einem grünen Hemd zu sehen, den ich nun schon seit zwei Tagen beobachte. Ob der seine Freiheit zu schätzen weiß? Ich bezweifle es. Ich selbst hab das ja auch nie getan. Man kommt halt offenbar nicht auf die Idee, sich am freien Leben zu ergötzen, wenn man nie was anderes als die Freiheit kennengelernt hat. Kurz werde ich von einem heftigen Zorngefühl überwältigt, allerdings nicht gegen die Polizisten oder Staatsanwälte, die mich grundlos in diese Lage gebracht haben, sondern gegen den Glatzkopf im grünen Hemd, der so tut, als ob wir in einer vollkommenen Welt lebten, während sich hinter seinem Rücken ein Symbol der Unvollkommenheit befindet, das ihm aus einer Entfernung von hundert Metern auf den Hinterkopf starrt.
    Die Tür geht auf, und zwei Justizwacheleute kommen rein, flankiert von Sanitätern. »Das ist er«, sagt einer der beiden Officers. Die Sanitäter nehmen keine besondere Notiz von mir, als sie mich von meinen sämtlichen Schläuchen befreien und vom Krankenbett auf eine Trage hieven. Für die und für das Krankenhauspersonal im Allgemeinen bin ich so viel wie mein Eigengewicht. Ich bin ein Stück Fleisch. Mein Leben wurde gerettet, sie haben ihre Sache erledigt.

Kapitel fünf
     
    Robert, der zu Mitgefühl und Reue unfähige Robert, hat mich vermisst. Ich bemerke die Erleichterung in seinen Augen, als sie ihn rausführen und er mich auf der Freitribüne sitzen sieht. Erleichterung nicht darüber, dass ich wiederhergestellt bin – das wäre auch zu viel verlangt. Nein, erleichtert ist er darüber, dass er wieder jemanden zum Reden hat.
    »Was geschah an dem Tag, als man dich festgenommen hat?«, frage ich ihn. Ich habe nämlich den ganzen vergangenen Tag damit zugebracht, in Gedanken nochmal meine Festnahme durchzugehen. Ich habe meine letzten Minuten in Freiheit analysiert und mich gefragt, ob ich irgendwas hätte anders machen und den Dingen damit einen anderen Verlauf geben können. Eigentlich nicht, stelle ich fest. Als die an meiner Tür geklopft haben, war ich doch so gut wie festgenommen.
    Mit einiger Sorge bemerke ich, dass meine Stimme dabei ist, dieselbe Dringlichkeit anzunehmen, wie sie mir schon bei den anderen Insassen aufgefallen ist, auch wenn ich ganz alltägliche Fragen stelle. Das kommt davon, wenn du nur eine einzige Stunde Ausgang hast und klug mit deiner Konversationszeit haushalten musst. Ständig stehen wir unter Zeitdruck; wie die Teilnehmer in einem TV-Quiz versuchen wir, so viele Fragen wie möglich zu beantworten, bevor der Summer ertönt. Der Summer hier im Haus, mit dem das Ende der Pause signalisiert wird, tönt übrigens ganz ähnlich wie die, die ich aus solchen TV-Shows in Erinnerung habe.
    »Ich war grade dabei, ein Auto zu verkaufen, da stellt sich heraus, dass die Papiere nicht in Ordnung sind«, sagt er. »Die Arschgeige hat die Bullen gerufen.«
    »Du hast ein Auto verkauft?« Die Verhaftung eines Serienmörders hätte ich mir dramatischer vorgestellt, etwa dass eine junge Frau, die bei ihm eingeladen war, einen Kopf in seinem Gefrierschrank findet, oder ein Pizzalieferant stellt fest, dass der Mann, der ihm da die Tür geöffnet hat, blutüberströmt ist.
    »Ja doch. Ich hatte gerade diesen Typen umgelegt und mir sein Auto gekrallt, das wollte ich über eine Zeitungsannonce verkaufen. Ein nagelneuer Ford Explorer war das, den ich für drei Riesen angeboten hab. Ein ausgesprochener Superdeal. Ich hab mir allerhand Geschwafel vorbereitet, das sei

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