Hoffnung ist Gift: Roman (German Edition)
deinen Fäusten als Taser. Kein Wunder, dass die Männer in einem sicheren Abstand bleiben und mich betrachten wie ein Tier im Zoo.
Ich kann mich drehen und wenden wie ich will, die Schmerzen werden nicht weniger, also höre ich auch nicht auf, zu stöhnen und mich herumzuwerfen, während die drei mich anstarren.
»Arztvisite ist morgen«, sagt Zeke, teilnahmslos aus dem Fenster blickend und Kaugummi kauend. »Hältst du’s so lange aus?«
Ich schüttle den Kopf. Ich spüre Schweißtropfen über meine Stirne rinnen.
Er zuckt mit den Schultern, geht aus der Zelle und redet in sein Funkgerät. Als er zurückkommt, scheint er überrascht, dass ich noch immer auf dem Bett liege und nicht längst in einen Todeskampf mit seinen zwei Kollegen verstrickt bin.
»Der Doc kommt rein. Er wohnt fast eine Stunde weit weg.«
Ich nicke. Dann falle ich in Ohnmacht.
Als ich wieder zu mir komme, geht’s mir noch deutlich schlechter. Der Arzt misst meinen Blutdruck, ich bemerke, dass ich sehr schnell atme. Schweiß rinnt mir in die Augen. Ich lasse den Arzt wissen, dass ich mich nahe am Kotzen fühle.
»Mach nur«, sagt er. Ich bekomme das Gefühl, der Doc mag keine Todestrakt-Insassen. Vielleicht hat er auch bloß schlechte Erfahrungen gemacht. Wahrscheinlich weiß er auch nicht, dass ich gar kein echter Insasse bin, sondern hier gewissermaßen nur wohne. Vielleicht weiß er es aber auch und hasst bloß alle Insassen von Gefängnissen. Kann auch sein, dass er die Menschen im Allgemeinen hasst.
Er wendet sich an die Wärter: »Krankenhaus«, sagt er. Er riecht nach Seife.
»Scheiße«, knurrt Zeke. Er sieht zornig aus. »Hat das nicht Zeit bis zum Schichtwechsel?«
»Bis dahin ist er tot«, sagt der Doc beiläufig. »Akute Blinddarmentzündung.«
Zeke blickt mich böse an, dann schlendert er aus der Zelle. Angesichts der Tatsache, dass ich bis zum Schichtwechsel tot wäre, würde ich mich über ein wenig mehr Beeilung freuen, bin aber inzwischen nicht mehr fähig, überhaupt etwas zu sagen. Es hat ganz den Anschein, dass es Zeke hauptsächlich darum geht, welcher Gang der Dinge ihm den geringeren Verwaltungsaufwand bringt – mich sterben zu lassen oder mich ins Krankenhaus zu bringen.
»Wie viele müssen da jetzt mitkommen?«, fragt der junge Wärter den anderen. Der Ältere der beiden, ein glatzköpfiger Schwarzer namens Bull, zuckt die Achseln.
»Ich glaube, zwei«, sagt der Junge. »Wir müssen immer zu zweit sein mit ihm.«
»Ich geh’ nicht«, sagt Bull.
»Immerhin Überstunden.«
»Scheiß drauf. Ich geh um elf heim. Ich hol Higgs von den Normalos, der soll für mich einspringen.«
»Wenn er für dich einspringt, wird er einige deiner Schichten im Todestrakt dafür wollen«, sagt der Junge. Während ich mir die Schicht-Tausch-Geschichten der beiden anhöre, spüre ich, wie mein Körperinneres immer wärmer wird, als würde mich ein Gasbrenner von innen her ausbrennen.
»Können Sie mir was gegen die Schmerzen geben?«, frage ich den Arzt, der schon beim Gehen ist.
»Nein, kann ich nicht machen. Im Krankenhaus werden Sie dann betäubt.« Er packt seine Sachen zusammen. Während er sich von den Wärtern verabschiedet, fange ich wieder zu kotzen an. Er sieht nicht mal rüber zu mir. Der jüngere Wärter schaut rüber und versucht, möglichst kein entsetztes Gesicht zu machen.
Ich sehe Zeke mit der fahrbaren Krankentrage zurück in die Zelle kommen, dann falle ich wieder in Ohnmacht.
Mit jeder Erschütterung der Krankentrage schießen blitzartige Schmerzen meine rechte Seite hinunter und bis hinauf zu meiner Schädeldecke, die zu prickeln beginnt. Während ich gefahren werde, sehe ich nur Deckenkacheln, dann Wasserbrunnen, dann geöffnete Türen, dann befinde ich mich in einem Lagerhaus-artigen Bereich mit einer Art Ladedock. Ich spüre, wie die von draußen einströmende Abendluft meine Stirn kühlt. Das tut gut. Ich drehe den Kopf zur Seite und kotze noch einmal. Das verursacht so heftige Schmerzen, dass ich gleich wieder ohnmächtig werde.
Unglücklicherweise komme ich immer wieder zu Bewusstsein. Ich wünschte, ich könnte bewusstlos bleiben – oder einfach sterben. Wenn ich nicht mehr aufwache, was soll’s, immer noch besser als in einem Raum im Todestrakt liegen und meine Innereien explodieren spüren. Wenigstens bleibt mir die Farce einer Gerichtsverhandlung erspart, und ich muss mir keine falschen Zeugen anhören, die ihre beschissenen Geschichten zum Besten geben, während ich von allen
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