Hoffnung ist Gift: Roman (German Edition)
Anwalt seinem Klienten abnehmen lässt, als Hinweis darauf gesehen werden, ob er gute oder schlechte Neuigkeiten hat. Nach schlechten Nachrichten werden die Jungs oft fuchsteufelswild, da ist es sicherer, ihnen eher weniger Bewegungsspielraum zu lassen.
»Hey«, sagt er widerwillig, sein Gebäck verschlingend. Ich glaube, in seiner Aktentasche ist mehr Platz für diverse Backwaren vorgesehen als für Dokumente zu meinem Fall. Er holt eine Akte mit der Aufschrift »Sutton« aus der Tasche und braucht ein paar Sekunden, um den daran haftenden, eingetrockneten Puderzucker abzuschütteln. Ich erinnere mich, 2613 Dollar auf meinem Sparkonto liegen zu haben, meine Ersparnisse nach jahrelangem Taxifahren. Geld, das ich eigentlich verplant hatte, ohne mich an einen einzigen dieser Pläne noch zu erinnern. Ich bin mir bewusst, dass es für einen richtigen Anwalt nicht reichen würde. Damit könnte ich höchstens ein paar Gefängnisbesuche bezahlen, an eine Gerichtsverhandlung gar nicht zu denken.
»Man bietet Ihnen einen Deal an«, sagt er. »Sie kriegen zwanzig Jahre, wenn Sie ihnen sagen, wo das Mädchen ist. Die Familie möchte ihr ein christliches Begräbnis geben.«
»Ich hab keine Ahnung …«
Er unterbricht mich mit einer wegwerfenden Handbewegung. »Dies ist ein phantastisches Angebot«, sagt er. »Ich hab mächtig dran gearbeitet, um es durchzusetzen.«
Ich stelle mir vor, wie er Backwaren verzehrend an seinem Schreibtisch sitzt, als das Telefon klingelt und ein Staatsanwalt sagt: »Ich biete zwanzig Jahre.« Er schaufelt sich den Rest seines Gebäcks in den Mund, kaut und schluckt, und sagt dann: »Das drück ich meinem saublöden Mörder von Klienten rein.«
Ist natürlich nur so eine Vorstellung von mir. Was ich von der Sache halte, ist Folgendes: Wenn die mir in diesem Stadium für ein Verbrechen mit hohem Medieninteresse einen Deal anbieten, so liegt es wahrscheinlich daran, dass sie nicht allzu viel in der Hand haben. Sie wollen einen Prozess vermeiden und legen deshalb die Karten auf den Tisch. Sie wissen, dass ihre Zeugen verlogene Mistkerle sind, sie wissen, dass der Fingerabdruck als Beweis leicht widerlegbar ist, sie wissen, dass ich keine Vorstrafen habe und rein formal gesehen ein anständiger Typ bin. Wenn ich gestehe, sind sie alle diese Sorgen los.
Offen gestanden, ich würde sogar darüber nachdenken, wenn ich ihnen nicht sagen müsste, wo das Mädchen ist. Ich würde zwanzig Jahre ausfassen, vielleicht vierzehn oder fünfzehn absitzen und so um die fünfzig herum wieder draußen sein. Auch ich hätte es in der Hand, dem Spuk ein Ende zu bereiten. Das würde aber bedingen, dass ich ihnen Informationen liefere, die ich einfach nicht habe, also ist der Vorschlag von vornherein ein Rohrkrepierer.
»Ich möchte, dass Sie etwas kapieren«, sage ich langsam und deutlich. » Ich weiß nicht, wo das Mädchen ist .«
Er starrt mich an, entgeistert und enttäuscht über meine Verstocktheit.
»Ich weiß es nicht«, wiederhole ich. »Ich habe keine Ahnung. Ich habe mit der Sache nichts zu tun. Wollen Sie das nun endlich verstehen? Ich … weiß … es … nicht.«
»Die haben einen Fingerabdruck auf der Fensterbank«, sagt er. »Ein solider Beweis.«
»Ich war früher ein verdammter Fenstermonteur, und ich hab mir die Fenster angeguckt. Sie wurden von einer Firma montiert, für die ich mal gearbeitet habe. Deshalb sind meine Abdrücke am Fenster.«
»Aber der …« – einen Augenblick lang sucht er nach dem richtigen Wort. Er möchte nicht Mörder sagen, zumal noch gar nicht bewiesen ist, dass das Mädchen tot ist – »… Mann ist durch das Fenster ins Haus gekommen.«
»Und leider hat dieser … Mann … den Fingerabdruck nicht verwischt, den ich Stunden zuvor dort hinterlassen hatte.«
»Sie haben Ihren Wagen mit Dampf gereinigt«, erinnert er mich. »Das macht keinen guten Eindruck.«
»Jetzt hören Sie mal zu!« Ich atme tief durch, um die Wut in Zaum zu halten, die sich in meinem Bauch zu formieren beginnt, sodass mich zum ersten Mal seit meiner Rückkehr aus dem Krankenhaus die Operationsnaht zu schmerzen anfängt. »Ich hab zwei Mädels auf dem Weg in ihr Studentenheim mitgenommen …«
»Ja«, unterbricht er verärgert; er kann diese Geschichte, die er für meine persönliche Bullshit-Version hält, nicht mehr hören. »Und die eine hieß Kelly, und von den beiden Mädchen namens Kelly, die in diesem Studentenheim wohnen, kann sich keine an Sie erinnern. Und in Ihrem Fahrtenbuch
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