Hoffnung ist Gift: Roman (German Edition)
sogar irgendwo einen Collegeabschluss gemacht. Jedenfalls gebe ich auf seinen Ratschlag mehr als auf den meines Anwalts. Ich überlege, ob es wohl möglich wäre, dass er mich vor Gericht vertritt. Der Gedanke erscheint mir recht lustig: Ein klinisch unzurechnungsfähiger, verurteilter Serienmörder vertritt einen unschuldigen Mann. So viel zu meiner Haltung gegenüber Randall.
»Worüber schmunzelst du?«
»Ich denke an meinen Anwalt«, erkläre ich. »Hast du einen guten gehabt?«
»O ja, doch, er war okay. Du musst dir vorstellen, die fanden Kleinteile von vier Leichen in meinem Garderobenschrank, das hat ihm seine Aufgabe nicht gerade erleichtert. Aber er hat sich gut geschlagen.« Robert geht den Vertrag durch und achtet mehr auf das, was er liest, als auf das, was er sagt.
»Kleinteile? Du hast sie zerhackt?«
»Aber klar doch.« Er legt den Vertrag hin und blickt mich an, plötzlich wie elektrisiert. »Das war ja das Beschissene in meinem Prozess. Alle haben sich fürchterlich darüber aufgeregt, dass ich sie in Teile zerschnitten habe. Als ob es so übermäßig cool gewesen wäre, sie im Ganzen zu lassen. Ich hatte doch auch Nachbarn, verstehst du? Wie oft kannst du einen Sack, der groß genug ist, um darin eine Leiche zu transportieren, aus dem Haus und zum Auto tragen, bevor die Nachbarn anfangen, blöde Fragen zu stellen? Ist doch klar, dass ich sie zerlegt habe.«
»Natürlich«, sage ich nickend. Ich bin derlei inzwischen gewohnt.
»Einmal sind meine Nachbarn rübergekommen, um mich an meine Pflicht zu erinnern, den Rasen zu mähen. Irgend so’ne Scheiße vom Hauseigentümerverband. Die ganze Zeit sind sie mir mit dieser oder jener Pflicht an den Arsch gegangen. Und ich musste mich fügen, sonst hätten sie nur noch mehr herumgeschnüffelt und irgendwann unter der Abdeckplane neben dem Geräteschuppen ein paar Arme und Beine gefunden.« Er kichert. »Ich hab’s nicht leicht gehabt. Man hat mir nichts geschenkt, das sag ich dir.«
»Kannst du bitte den Vertrag lesen?« Ich geb ihm das Dokument zurück, seine neuesten Ausführungen über das harte Leben als Serienmörder strapazieren langsam meine Geduld. Das scheint nicht nur sein Lieblingsthema zu sein, sondern überhaupt sein einziges Thema. Wer hätte gedacht, dass ein Soziopath dermaßen, nun ja, selbstbezogen ist?
Er lacht und nimmt den Vertrag. »Der ist so ziemlich null-acht-fünfzehn«, erklärt er. »Ich hab mal im College nebenbei als Anwaltsgehilfe gejobbt. An dem ist nichts Ungewöhnliches dran. Schreib ihnen einfach ihr verdammtes Tagebuch, damit sie glücklich sind. Das ist auch schon alles.«
»Und du hast nicht den Eindruck, dass da irgendwas nicht stimmt?«
»Sicher. Irgendwas stimmt immer nicht. Wir befinden uns hier an einem seltsamen und beschissenen Ort. In meinem ersten Jahr hier sind ein paar Leute von einem Pharmaunternehmen aufgetaucht und haben mir TV-Privilegien versprochen, für den Fall, dass sie mir dreimal die Woche irgend so ein experimentelles Zeugs gegen Haarausfall in den Arsch spritzen dürfen. Ich hab sie zum Teufel gejagt.« Er blickt wehmütig über den Hof und fährt sich mit der Hand durch sein schütteres Haar. »Heute wünschte ich, ich hätte ja gesagt. Ich hätte einen Fernseher und volles Haar am Kopf.«
»Kann sein«, sage ich. »Kann aber auch sein, dass du blind wärst und dein ganzer Körper voller Tumore.«
Er stößt ein überaus vergnügtes Glucksen aus. Ich bin immer wieder überrascht, wie glücklich Robert manchmal zu sein scheint. Ich weiß, dass er am Hals eine dicke Narbe hat, wo er sich einst die Kehle durchschneiden wollte; aber wer hält dieses jahrelange Eingesperrtsein denn schon wirklich aus, ohne so was ein oder zwei Mal zu versuchen? Gut möglich, denke ich, dass er hier tatsächlich in seinem Element ist – ehrlich und glücklich und endlich zufrieden.
Kapitel sieben
»Die Anklage wird auf Mord mit Todesstrafendrohung lauten«, teilt mir mein Anwalt in einem Ton mit, als würde er mich über die neuesten Ergebnisse der Bundesliga informieren. Er vertilgt schon wieder ein Plundergebäck und scheint seit dem letzten Mal noch mehr zugenommen zu haben. Wieder verstreut er die weiße Zuckerglasur in kleinen Bröseln über das Kirschholzfurnier des Tisches, und ich gewinne den Eindruck, dass ihm das richtig Spaß macht, seine Plundersachen vor mir zu verzehren. Mein Anwalt verhöhnt mich, weil ich im Gefängnis sitze. »Nach den Gesetzen des Bundesstaates Texas muss keine
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