Hoffnung ist Gift: Roman (German Edition)
begeistert. »Klar«, stimme ich zu. »Lassen Sie mehr davon hören.«
Zuerst die Formalitäten. Dr. Katherine Conning hat eine ganze Mappe voll Zustimmungserklärungen mitgebracht, die ich unterschreiben muss, und während ich das bereitwillig tue, klärt sie mich erneut über meine Rechte auf. Wie es aussieht, hab ich jede Menge Rechte. Ich kann die Teilnahme verweigern, ich kann jederzeit im Laufe der Studie aussteigen und muss dafür keine Begründung angeben. Traurig blickt sie mich an, um mir zu versichern, wie schade sie es fände, wenn ich von diesen Rechten Gebrauch machte. Das müsste schon ein übler Kerl sein, der diese Frau enttäuschen will.
Dann kommen wir zum Kern der Sache. »Nächste Woche ist Ihre Verhandlung«, sagt sie.
»Ach ja, in der Tat?« Mein nichtkommunizierender Idiot von Anwalt hat mich noch nicht einmal meinen Verhandlungstermin wissen lassen.
Sie nickt, beunruhigt darüber, dass ich nicht Bescheid wusste. »Haben Sie nicht mit Ihrem Anwalt gesprochen?«
»Schon länger nicht.«
Sie kramt in ihren Papieren. »Ihre Verhandlung ist für nächsten Montag angesetzt«, sagt sie.
Meine Nerven beginnen zu flattern, in meinem Magen macht sich ein flaues Gefühl breit. So lange war mein Prozess ein weit in der Zukunft liegendes Ereignis, meine einzige Chance irgendwo am Horizont, die Dinge wieder zurechtzurücken. Da allerdings mein Anwalt eine derartige Flasche ist, habe ich den Gedanken daran vermieden. Das ist so, wie wenn du dir deine Rechnungen anschaust und genau weißt, du hast nicht das Geld, um sie zu bezahlen – du legst sie erstmal ganz hinten in der Lade ab. Es ist die Angst, die ich mir selbst nicht eingestehen will.
»Ihr Anwalt hätte Ihnen das sagen müssen«, klärt mich Dr. Katherine auf. Wahrscheinlich hat sie eine Verhaltensänderung an mir bemerkt. Ich fühle mich plötzlich kraftlos, von Furcht überwältigt. Mein Anwalt wird dafür sorgen, dass ich verurteilt werde. Ich weiß das.
»Ich … ich sollte mit ihm sprechen«, sage ich, so als ob das allein an mir läge.
Sie erscheint besorgt, fährt aber fort. »Wir möchten, dass Sie ein Tagebuch führen. Vom Prozess und von der Zeit danach.«
»Die Zeit danach?«
»Das Ergebnis«, sagt sie, bemüht, ihren heiteren Ausdruck zu bewahren, obwohl sie weiß, dass das Reden über die Details auch unangenehm werden könnte. »Wir machen Studien über Angeklagte während ihres Verfahrens, also in Zeiten erhöhter Stressbelastung. Von Ihnen würden wir uns nur wünschen, dass Sie wenigstens ab fünf Tagen vor dem Prozess und dann so lange Sie möchten nach dem Prozess ein Tagebuch führen.« Strahlendes Lächeln. »Das ist schon alles.«
Mir schmeckt das Ganze plötzlich nicht mehr. Ich hab das unbestimmte Gefühl, dass da irgendwo ein Haken ist, aber Dr. Katherine ist so hübsch, und mir ist ohnedies den ganzen Tag langweilig – und außerdem, was ändert sich schon groß für mich, wenn ich allerhand Unsinn in ein Tagebuch schreibe und sie das dann liest?
»Muss ich …« – ich suche in einem Knäuel möglicher Fragen nach der richtigen – »… über etwas ganz Bestimmtes schreiben?«
»Schreiben Sie nur das, was Sie unter normalen Umständen in ein Tagebuch schreiben würden.«
»Normalerweise schreibe ich kein Tagebuch.«
Lächelnd zuckt sie mit den Achseln. »Na ja, Sie wissen schon, Ihre Gefühle angesichts der laufenden Ereignisse, Ihre Hoffnungen, Ihre Ängste …«
»Machen das viele andere Insassen auch?«
Sie lächelt verschmitzt und nickt. »Wir dürfen die Teilnehmerzahlen laufender Experimente nicht bekanntgeben, aber Sie werden mit Sicherheit von den Ergebnissen und Rückschlüssen der Studie informiert.«
»Und Sie werden mir keine Medikamente ins Essen schmuggeln oder so’n Scheiß?«
Sie lacht. »Nein. Sie können den Vertrag behalten und nochmal genau durchlesen. Es ist sehr einfach.« Sie fängt an, ihre Papiere in einen Lederranzen zu stopfen, der, so denke ich, bei weitem mehr Persönlichkeit hat als die mit Backwaren gefüllte Aktentasche meines Anwalts. Ich wünschte, dieser fröhliche und freundliche und kompetente und unkomplizierte Rotschopf wäre mein Anwalt. Dann kommt Zeke rein, ich stehe auf und werde wieder gefesselt.
»Auf bald«, sagt sie mit strahlenden Augen. »Und vielen, vielen Dank.« Schon ist sie weg.
Ich bin verliebt.
Robert sieht sich den Vertrag an, den ich unterzeichnet habe. Trotz seiner menschlichen Defizite hat Robert immerhin in Büros gearbeitet und
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