Hoffnung ist Gift: Roman (German Edition)
Experten gibt, die sich mit nichts anderem beschäftigen als mit der Psychologie von Kriminellen. Die TV-Programme sind voll mit einschlägigen Sendungen. Warum kann nicht einer von den Typen aus diesen TV-Sendungen reinkommen, mein Verhalten analysieren, vertrauensvoll nicken, was Kluges sagen und mich nach Hause schicken? Wo sind die brillanten und talentierten Leute, die angeblich den Weltenlauf bestimmen, wenn man sie mal braucht?
Ich möchte die Wahrheit sehen. Ich möchte eine Folge von CSI sehen, in der die Spurensucher eine DNA finden, die nicht zu ihrer Theorie vom Fall passt, sodass sie diese einfach wegwerfen und bei ihrer Theorie bleiben. Ich möchte eine Folge von Law and Order sehen, in der die Kommissare erschöpft und überlastet sind und einfach den nächsten Schwarzen mit einer Vorstrafe am Hals verhaften, oder irgendeinen Verdächtigen, der sich keinen anständigen Anwalt leisten kann. Ich möchte eine Criminal-Minds- Episode sehen, in der keiner eine Ahnung hat, was eigentlich vorgeht, also treten sie ein paar Türen ein und fangen an, die Leute auf der Straße zu durchsuchen. Ich möchte einmal in SVU sehen, wie einem aufmüpfigen Verdächtigen mit einem Besenstiel der Arsch aufgerissen wird, oder in einer Folge der Cops -Serie, wie jemand erschossen wird, weil er sich über eine Verkehrsstrafe aufregt, oder irgendeine andere dieser zahllosen Reality Shows über Polizeistationen in der Kleinstadt, wo alle Mitarbeiter nichts weiter als verwirrte, ungebildete Schlägertypen sind.
Ich hab über Fälle wie den meinen immer wieder in der Zeitung gelesen, hab einfach umgeblättert, Fernsehen eingeschaltet und mir noch eine Stunde lang angesehen, wie großartig da draußen doch alle sind. Wo sind jetzt aber diese makellosen Profis, da ich sie brauchen würde? Vielleicht hat es sie überhaupt nie gegeben. Vielleicht sind alle diese TV-Sendungen, die ich angeschaut habe, nur die Ausgeburt einer kollektiven Wahnvorstellung, eine Übung in Wunschdenken, oder einer Abdeckplane in Roberts Hinterhof vergleichbar, die über die abgetrennten Arme und Beine einer hässlichen Realität geworfen wurde. Die Erkenntnis, dass sie Karen extra von Houston hier hochfahren lassen, damit sie einer Geschichte widersprechen kann, die sich jemand anderer über mich ausgedacht hat, ist doch nur eine weitere Facette dieser ganzen jämmerlichen Murkserei, die hier abläuft. Ich bin eine Figur in einer Geschichte über eine Illusion, die alle anderen nur allzu gern glauben möchten.
Ich bin im Knast, meine Verhandlung steht vor der Tür.
Ich bin ganz schön am Arsch.
Das Gefängnis hält für diejenigen Insassen, die zur Verhandlung antreten müssen, tatsächlich Anzüge bereit. Diese wurden von einer karitativen Organisation hier aus der Gegend gespendet. Ich vermute, dass die Menschen, von denen die karitative Organisation die Anzüge als Spenden erhalten hat, keine Ahnung hatten, dass diese von Gefängnisinsassen verwendet würden, denen es darauf ankam, an dem Tag, an dem die Geschworenen ihr Urteil über sie fällen sollten, möglichst präsentabel auszusehen. Hätten die edlen Spender das gewusst, dann hätten sie ihre Kleider wahrscheinlich lieber weggeworfen oder verbrannt.
Wenn ich eines aus alldem gelernt habe, dann, dass Gefängnisinsassen sich bei den Menschen keiner großen Beliebtheit erfreuen.
Die Funktion des Anzugtragens liegt auf der Hand. Wer vor einer Jury im weißen Knast-Overall erscheint, macht automatisch einen schuldigen Eindruck. Selbst Mutter Teresa kann wie eine Gangsterbraut aus South Dallas aussehen, wenn du sie in einen texanischen Gefangenen-Overall mit Ledergürtel und Fußfesseln steckst, ganz zu schweigen von jemandem, der schon von vornherein eine imposante Körperlichkeit hat. In einem derartigen Outfit unschuldig zu wirken, ist ein Ding der Unmöglichkeit. Wenn du lächelst, kommst du diabolisch rüber. Blickst du finster drein, wird das als abartig interpretiert. Wer seine Schultern hängen lässt, kommt rüber wie ein degenerierter Kinderverführer, mit hocherhobenem Kopf wirst du sofort als Boss einer Verbrecherbande identifiziert.
Ich darf also die Anzugkammer besuchen, ein Lagerhaus mit einem ganzen Regal verfügbarer Anzüge, die ich ausleihen darf. Während ich mit dem Anprobieren beginne, fällt mir ein, dass mein früherer Anzug, der in dem Apartment geblieben war, aus dem man mich rausgeworfen hat, möglicherweise auch für diesen Zweck gespendet wurde, und einen
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