Hoffnung ist Gift: Roman (German Edition)
also lehne ich mich nur an die Tribünenstufe und genieße ein wenig die Sonne.
»Besuch für dich.« Verdammt. Wieder dieser Zeke! Kaugummi kauend, den Augenkontakt vermeidend, teilt er mir mit, er sei ja nicht mein Privatsekretär, als ich ihm einen fragenden Blick zuwerfe. Sie planen die Besuche immer zur Ausgangszeit, damit sie uns nicht mehrfach raus und wieder zurück in die Zellen bringen müssen. Vielleicht ist es der schwarze Polizist aus Waco mit guten Neuigkeiten, auf die ich sehr gespannt wäre.
Jetzt steigt wieder diese Hoffnung in mir hoch, die mich von innen her auffrisst.
Sie führen mich am Besucherzimmer des Todestrakts mit dem Telefon und der Plexiglasscheibe vorbei in den Anwaltsraum. Scheiße, es ist mein Anwalt. Ich bin mir sicher, der versaut mir jetzt meine Pause, indem er mir jede Menge Fragen stellt, die ich bereits beantwortet habe, etwa wie lange ich als Taxifahrer gearbeitet habe und wann meine Eltern starben. Ich fühle am Bauch einen Schmerz an der Stelle, wo mir die Nähte entfernt wurden.
Zeke öffnet die Tür und da steht eine junge Frau mit langem, rotem, lockigem Haar und braunen Augen. Ich bemühe mich, sie nicht anzustarren. Ist lange her, seit ich eine Frau gesehen habe. Hier im Todestrakt sind ja nicht mal Pornohefte zugelassen.
»Mister Sutton«, sagt sie, und das noch mit einem Lächeln. Ist das die Assistentin meines Anwalts? Ich nicke und will ihr die Hand reichen, als ich draufkomme, dass mir Zeke die Handschellen noch nicht abgenommen hat. Das erinnert mich daran, dass es sich hier nicht um ein Treffen unter Freunden handelt. Ich bin nach wie vor Insasse im Todestrakt. Trotzdem kann ich mir vorstellen, dass es mit der Frau hier mehr Spaß macht als mit Robert.
»Ja«, sage ich, in einem plötzlichen Anflug von Heiterkeit, und ich bin selbst überrascht von meiner guten Haltung, meiner ganzen Erscheinung. Infolge der Belastungen nach meiner Festnahme und der minderen Qualität des Gefängnisessens ist mein Bierbauch längst verschwunden, und ich stehe so kerzengerade da, als hätte ich einen Stock verschluckt.
»Die können Sie ihm abnehmen«, sagt sie zu Zeke und deutet auf meine Fußfesseln. Ich merke, wie Zeke sich zusammennehmen muss, seine Verzweiflung zu verbergen angesichts der Mühsal, die ihm das Abnehmen und Wiederanlegen der Fußfesseln bereitet. Nachdem die letzte Fessel entfernt ist, stehe ich also im weißen Gefängnis-Overall vor einer wunderbaren jungen Dame und fahre mir mit den Händen durchs Haar. Ich versuche nachzurechnen, wie lange meine letzte Dusche zurückliegt. Habe ich Körpergeruch? Ich habe mich in letzter Zeit nicht allzu sehr um meine äußere Erscheinung gekümmert, so viel steht fest.
»Nehmen Sie Platz«, sagt sie freundlich. Sofort setze ich mich hin und frage mich gleichzeitig, ob ich mich womöglich benehme wie ein Schuljunge, der in seine Lehrerin verliebt ist. Dem an der Tür stehenden Zeke gibt sie zu verstehen, dass wir gut allein zurechtkommen. Zeke schaut ungläubig drein, geht dann aber raus und schließt die Tür. Durch das Drahtfenster kann ich noch immer seinen Glatzkopf sehen.
»Gehören Sie zu, äh … Mister Randall?«, frage ich. Ich versuche, in meiner harmlosen Frage die Verachtung nicht aufblitzen zu lassen, die ich gegen meinen Anwalt hege. Ich will nicht das Bild eines negativen, verbitterten Gefängnisinsassen abgeben. Und sollte Randall ihr meinen Fall abgetreten haben, ist er ohnehin zu vergessen.
»Wer ist das?«
»Mein Anwalt.«
»O nein, nein.« Die Verwechslung bringt sie zum Lachen. »Ich bin Doktor. Katherine Conning, Doktor der Psychologie.« Zum ersten Mal bemerke ich eine kleine Unsicherheit an ihr. Soll sie mir die Hand reichen wie einem ganz normalen menschlichen Wesen oder einfach dieses offensichtlich oft erprobte Schauspiel fortsetzen? Sie entscheidet sich für Letzteres. »Wir hätten einige Fragen an Sie und würden Sie bitten, an einem Experiment teilzunehmen. Selbstverständlich können Sie die Teilnahme jederzeit ablehnen.«
Wenn da jetzt ein Typ vor mir gesessen hätte, wäre ich bei Robert im Hof gewesen, noch ehe sie ihren Satz fertig hatte. Doch wie es scheint, wissen diese Psychologen recht gut, wie man männliche Insassen zur Teilnahme an ihren Studien überredet. Vielleicht wird man mich ja auch mit teuren Medikamenten vollpumpen, die mich vierundzwanzig Stunden am Tag high und happy machen. Oder ich bekomme jetzt jede Woche Besuch von Dr. Katherine, wer weiß?
Ich nicke
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