Hoffnung ist Gift: Roman (German Edition)
Ganze einzufügen und normal zu werden. Nach meiner Rückkehr von der Arbeit nehm ich eine Dusche, rasiere mich und ziehe Clarences Anzug an.
Dreihundertsechzig Dollar. Die hab ich verdient. Ich werfe das Geld, das Terry mir gegeben hat, auf die golden-weiße Bettdecke und schau es an. Drei Hunderter und drei Zwanziger. Verdientes Geld ist was Reales. Es bedeutet Macht, es bedeutet Leben. Es unterscheidet uns von den Affen. Mein kleiner Haufen Geld hier holt mich auf eine Art und Weise zurück in die Menschheit, wie Brock und die feine Belegschaft des Plaza-Hotels das niemals zustande brächten.
Ich stecke das Geld in meine Brieftasche und betrachte mich im Spiegel. Ich sehe besser aus als damals auf dem Monitor im TV-Studio, und dies nicht nur, weil ich rasiert bin. An jenem Tag hatte ich den Ausdruck von Resignation im Gesicht, oder vielleicht von einem Zorngefühl, das weitgehend verraucht war, von Leidenschaft, die zur kalten Asche des Ekels verglüht war – daher auch die fahle Gesichtsfarbe. Heute bin ich – selbst nach einem heißen, körperlich anstrengenden Arbeitstag – von den Lehren Everett Wells’ und Jerome Loggins’ angesteckt. Ich werde meine Verbitterung überwinden. Ich werde mich nicht von meinem eigenen Zorn auffressen lassen. Freilich werde ich es nicht so weit treiben, dass ich eine Bibel mitschleppe oder davon erzähle, wie ich Jesus in mein Herz einlasse, aber ich will grosso modo in diese Richtung gehen. Von allen Seiten vernehme ich die Botschaft, dass die Darstellung des rechtschaffen Geknickten lange genug auf dem Spielplan war … Ich will der wandelnde Kalenderspruch sein, den sich alle von mir erwarten.
Ich bespritze mich mit dem teuren Cologne, das ich mir im Hotel-Shop gekauft habe, und schau in den Spiegel. Gar nicht so schlecht, finde ich. Der Clarence-Anzug passt perfekt. Ich frage mich, ob er ihm selbst so gut gestanden hat, und bezweifle es, da er meiner Erinnerung nach kleiner als ich war. Ich versuche, ihn mir im Geiste vorzustellen, stattdessen rutscht mir aber das Bild Roberts ins Gedächtnis, und da fällt mir plötzlich ein, dass ich mich nie von ihm verabschiedet habe. Sie werden ihn bald töten. Als ich ihn das letzte Mal sah, hatte er nur noch ein paar Monate vor sich. Ob er noch immer allein auf der Freitribüne sitzt – und ob er wohl manchmal an mich denkt?
Vielleicht werde ich ihm einen Brief schreiben. Dr. Conning hätte ihre Freude daran.
Ich öffne die Tür und luge in den Flur raus. Noch immer kann ich mich nur schwer daran gewöhnen, dass sich die Türen einfach so nach meinem Gutdünken öffnen lassen. Kann gut sein, dass mich das ein Leben lang begleiten wird, wer weiß? Und wenn ich dann ein alter Mann bin, werde ich den Nachbarskindern nicht geheuer sein, wenn ich jedes Mal, nachdem ich die Haustür geöffnet habe, ein paar Sekunden lang rausspähe, bevor ich schließlich auf die Straße trete, um mir meine Zeitung zu holen. Gut möglich auch, dass mich in jeder zukünftigen Konversation die Angst begleiten wird, dass dieser Freigang bald enden wird, und ich werde möglichst laut sprechen und andere unterbrechen, weil ich mir unbedingt noch Gehör verschaffen will, ehe meine Zeit abläuft. Vielleicht werde ich nie mehr der sein, der ich war. Nein, ich werde definitiv nie mehr der Alte sein – die Frage ist bloß, ob ich es vor meiner Umwelt verbergen kann.
Ich brauche ein Bier. Ich muss ein paar Stunden in Gedankenlosigkeit verbringen, nur mit Trinken und Frauen Anstarren. Ich gehe zum Lift und drücke den Knopf, und als sich die Tür öffnet, höre ich – wie auch sonst immer – die Stimme eines Wärters nachhallen: »Haupttor öffnen.«
In der Lobby sehe ich Hinweisschilder auf einen Kongress von Privatdetektiven, und ehe ich noch an der Bar angelangt bin, stelle ich mir schon vor, dass dies meine neue Berufslaufbahn sein könnte. Vielleicht ist das ein Zeichen – meine Berufung! Ich könnte mich mit Privatdetektiven treffen, Kontaktinformationen einholen, die Anforderungen für diesen Beruf studieren, und innerhalb weniger Monate könnte ich mithilfe meiner Entschädigungssumme herumfahren wie Magnum PI oder Jim Rockford und so nebenbei Verbrechen aufklären und die Welt verbessern. Mein Schwerpunkt wären natürlich die Fälle, in denen Häftlinge behaupten, sie seien irrtümlich verurteilt worden. Ich werde der Mann sein, der in das Studentenheim geht, um die beiden College-Girls zu finden, oder der Mann, der einen Vern Brightwell
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