Hoffnung ist Gift: Roman (German Edition)
in einem verfallenen Farmhaus aufstöbert. Nach allem, was ich durchgemacht habe, glaube ich, dass das wirklich ein idealer Job für mich wäre. Wer wäre stärker motiviert als einer, der aus eigener Erfahrung weiß, was die Leute in den Gefängnissen durchmachen? Der sich jeden Augenblick in sie hineinversetzen kann, wie sie ihr Leben damit verschwenden, die Muster in weißen Betonziegelmauern zu studieren?
Ich setze mich an die Bar, bestelle ein Bier und sehe mir die herumstehenden Privatdetektive an. Alle sind sie in Anzüge gekleidet und machen einen seriösen Eindruck. Ich hatte eigentlich buntere Vögel erwartet, so Typen wie den weisen, alten Barnaby Jones, den stotternden, angespannten Monx, einen verwegen ausschauenden Magnum oder einen zynischen, aber lächelnden Jim Rockford. Diese Leute hier sehen alle aus wie Buchhalter oder Aktienhändler.
Wenn ich irgendwas aus alldem gelernt habe, dann dass dir das Fernsehen kein zutreffendes Bild vom Justizwesen und seinen Akteuren vermittelt.
In der Bar ist ein langer Spiegel aufgestellt, und ich frage mich, ob dahinter Gefängniswärter versteckt sind und mich beobachten.
Ich höre das Ende eines Vortrags aus einem der Konferenzzimmer, und bald füllt sich die Bar mit Privatdetektiven, die sich unmittelbar neben mir Drinks bestellen und dem Barmann das Geld rüberreichen. Ich bin gerade noch rechtzeitig gekommen. Eine oder zwei Minuten später, und ich hätte keinen Platz gefunden. Als ich die gesetzten Typen aus dem Konferenzzimmer kommen sehe, stelle ich fest, dass dies offenbar ein stark männlich dominierter Beruf ist. Eigentlich bin ich ja nicht in die Hotelbar gekommen, um mich mit Männern zu unterhalten, mag ihr Job noch so interessant sein.
Ich erwähne das einem Herrn gegenüber, der sich auf den Platz neben mich gesetzt hat, einem gutaussehenden, gepflegten Mann Anfang fünfzig mit graumelierter Helmfrisur. »Gibt es eigentlich auch weibliche Detektive?«, frage ich, mich umblickend und bemüht, nicht pikiert zu wirken.
Er lacht. »Nicht viele.« Offenbar ist er der Meinung, ich interessiere mich tatsächlich mehr für seinen Berufsstand als für ein sexuelles Abenteuer, also fügt er hinzu: »In unserem Metier ist ein echter Bedarf an Frauen, vor allem für verdeckte Ermittlungen.«
Wir unterhalten uns über Frauen, während ich vergeblich Ausschau nach einer halte. Er erklärt mir, wie sich die Gesetze, in denen die Erteilung einer Detektivlizenz geregelt sind, in den einzelnen Bundesstaaten unterscheiden, als ich plötzlich mit der Ansage hervorplatze, ob er eigentlich wisse, dass bei Männern, die längere Zeit ohne Frauenkontakt leben, der Bart zu wachsen aufhört.
Er hört auf zu reden und sieht mich fragend an. »Das hab ich nicht gewusst.«
Verdammt. Das ist also aus mir geworden. Ich kann nicht mal einem einfachen Gedankengang folgen, noch die Grundregeln der Höflichkeit einhalten. Ich erinnere mich an meine erste Unterhaltung mit Ernesto, als er über Michael Jackson zu reden anfing und schließlich bei Hepatitis und dem staatlichen Pensionssystem landete. Du musst einen Mann nur ein paar Jahre in Einzelhaft stecken, und er wird dazu übergehen, Konversationen vornehmlich als Selbstgespräche zu führen, und die paar Gedankensplitter, die es aus seinem Kopf in die Umwelt heraus schaffen, vermitteln den Eindruck des Wahnsinns.
»Was machen Sie beruflich?«, fragt er mich.
Für diese Frage habe ich mir keine Lüge zurechtgelegt. Ich war, nebenbei bemerkt, nie ein guter Lügner. »Ich komme frisch aus dem Gefängnis. Justizopfer.«
Er klopft mir auf die Schulter: »Herrgott, dachte ich’s doch, dass Sie das sind. Ich hab Sie in Texas Today gesehen.« Er lacht. Er erinnert sich besser an meinen TV-Auftritt als ich selbst, allerdings bin ich mir sicher, dass ihm die Sendung nicht wegen meines offiziellen Gesprächsbeitrags gefiel, sondern weil ich diese Melissa Sowieso live im TV als dumme Kuh bezeichnet habe. Er fängt an, mir noch was über meinen Auftritt in der Sendung zu erzählen, aber ich kann ihn jetzt nicht mehr hören. Mein Gehirn nimmt einfach keine ankommenden Informationen mehr auf, außer der Tatsache, dass ich Dr. Katherine Conning in einem der Lounge-Sessel neben dem Eingang zur Bar sitzen sehe.
»Entschuldigen Sie mich«, unterbreche ich ihn mitten im Satz und winde mich umständlich aus meinem Barhocker. Ist sie das wirklich? Was macht sie hier? Ich dachte, die ist Psychiaterin. Er schaut mich überrascht an, als
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