Hoffnung: Roman (Heyne fliegt) (German Edition)
Sie bittet Jonna, ihren Namen und ihre Handynummer auf eine Besucherliste zu schreiben, und stellt Butter, Brot und Käse auf den Küchentisch. Dazu gießt sie ein großes Glas Orangensaft ein und sieht ein wenig neugierig zu, wie Jonna sich nimmt.
»Du bist neulich mit Alex hier gewesen, nicht wahr? Möchtest du einen Tee?«
Nein, nein. Jonna schüttelt schnell den Kopf. Sie will keine Umstände machen, und vor allem möchte sie nicht allein mit Sandra hier in der Küche bleiben. Also schmiert sie sich im Stehen ein paar Brote und sieht sich um.
»Kann man hier mal einen Computer benutzen?«
»Natürlich. Seid ihr Freundinnen von früher?«
»Äh, nein. Wie spät ist es?«
»Zwei Uhr. Aber woher kommst du denn ursprünglich?«
Sandra holt einen Teller für die Brote, und Jonna findet es so seltsam und ungewohnt, auf diese Weise umsorgt zu werden und Aufmerksamkeit zu bekommen, dass sie gar nicht weiß, wo sie hinschauen soll. Erleichtert nimmt sie den Teller und versteckt sich hinter dem Bildschirm, nachdem Sandra ihr einen Computer gezeigt hat, den sie benutzen kann.
Sie loggt sich in ihren Mail- und ihren Facebook-Account ein und scrollt die Seite herunter, aber es ist rein gar nichts passiert, alles ist ebenso tot wie auf den Aushängern in der Stadt, der reinste Friedhof.
»Suchst du etwas Bestimmtes?«
Sandra geht hinter ihr vorbei, und Jonna schüttelt den Kopf und macht schnell die Bildschirm-Fenster zu. Nein, sie sucht nichts Bestimmtes.
Sie hatte einfach nur gedacht, dass die anderen vielleicht nach ihr suchen würden, dass sie etwas Besonderes wäre und dass ihre Oma vielleicht doch Mama irgendwie erzählt hätte, dass sie weg war, weshalb Mama dann ein bisschen besorgt gewesen wäre und ihr über Facebook was geschrieben hätte.
Ach, warum kann sie es auch nicht lernen?
Warum kann sie nie aufhören zu hoffen? Als sie das denkt, wird sie richtig wütend auf sich selbst. Verdammt, dass es aber auch so schwer ist, mit dem Träumen aufzuhören! Tränen der Wut schießen ihr in die Augen.
»Kann ich die Brote mitnehmen?«
Mit einem Mal will sie keine Sekunde länger im Enter bleiben, jetzt will sie einfach nur noch weg.
»Ja klar, aber was ist mit deinem Saft? Und heute ist es so kalt!«
Sandra ist offenkundig bekümmert. Sie gibt Jonna das Saftglas und bittet sie, sich doch noch ein paar Minuten zu setzen und zu bleiben, bis sie sich beruhigt hat.
»Denn irgendetwas ist doch passiert, oder?«
Ja, klar. Sandras sanfte Frage und die Hand auf ihrer Schulter lassen die Tränen nur so laufen. Jonna sinkt auf den Stuhl, den Sandra herangezogen hat, wischt sich wütend übers Gesicht und kann als Antwort nur noch nicken.
»Sag mal, Jonna, wo wohnst du denn? Du weißt, dass ich das Jugendamt anrufen kann, wenn du jetzt akut Hilfe brauchst, oder?«
Nein, auf keinen Fall! Jonna schüttelt entschieden den Kopf, mit dem Jugendamt will sie nichts zu tun haben. Sie springt auf, nimmt die Brote in die Hand und läuft in den Flur. Jetzt wird sie hier verschwinden.
Aber im Flur sucht sie verwirrt nach ihren nassen Stoffturnschuhen. Wo sind die bloß? Sie hatte sie doch hier an die Tür gestellt, oder?
Sandra kommt mit einer Plastiktüte für die Brote hinter ihr her und hilft ihr, die Schuhe zu suchen.
»Aber sind das da nicht deine?«
Nachdem sie genauso verwirrt gesucht hat wie Jonna, zeigt sie schließlich auf ein Paar schwarze halbhohe Stiefel, die in einer Schmelzwasserpfütze stehen.
Ach, ja klar, genau!
Verlegen erinnert sich Jonna, wie sie an die Schuhe gekommen ist, und steigt schweigend hinein.
»Jonna!«
Sie betritt die Straße, biegt am Coop um die Ecke und hört plötzlich ihren Namen. Da winkt jemand, sie kneift die Augen im Gegenlicht zusammen, und sieht, dass es das Mädchen ist, das sich ihr gestern Abend im Enter vorgestellt hat, das Mädchen, das auch Dialekt gesprochen hat, mit dem Piercing und den dunklen Stoppelhaaren.
»Hallo! Hast du mich nicht erkannt?«
»Doch. Elina, oder?«
»Ja, genau. Und du bist Jonna. Was ist, hast du geweint?«
»Ach, ist schon gut.«
Jonna schüttelt den Kopf, aber Elina erklärt ihr, dass man die Tränen laufen lassen sollte.
»Immer heraus damit! Dann wird es besser.«
Ach, echt? Jonna nickt, und Elina lacht, dass sich Grübchen in ihren Wangen bilden.
Aber dann fragt sie: »Ich meine heute Morgen, am Skanstull!«
Am Skanstull? Jetzt ist Jonna völlig verwirrt. Sind sie sich da begegnet?
»Neben dem Kiosk, als ich aus meinem
Weitere Kostenlose Bücher