Hoffnung: Roman (Heyne fliegt) (German Edition)
Nase und nimmt selbst einen Bissen, als ihre Freundin nur das Gesicht verzieht und noch mehr stöhnt. Nicht. Nun gut. Soll sie dann einfach warten?
Nein, natürlich nicht, ein Handy auf dem Nachttisch zeigt, dass es schon drei Uhr ist. Und zu einem Bewerbungsgespräch zu spät kommen das wäre unmöglich, das weiß man doch.
»Alex, reiß dich zusammen!«
Immer noch keine Reaktion, Jonna beißt noch einmal von dem Brot ab. Dann steht sie mit einem Seufzer vom Bett auf. Sie sucht nach ihrer Schultasche und redet derweil weiter auf Alex ein.
»Ich versuche doch nur, dir zu helfen.«
»Hast du ein Bier?«
Bier? Jonna findet die Tasche auf dem Fußboden im Flur und schaut dann über die Schulter zurück ins Zimmer. Alex muss doch etwas essen? Mit dem Brot in der Hand sieht sie zum Bett, doch da Alex sich nicht rührt, isst sie auch den letzten Rest. Das Handy auf dem Nachttisch summt, wohl eine SMS, und da endlich bewegt sich Alex.
»Ooohhhh!«
Zitternd und grün im Gesicht steigt sie aus dem Bett und bewegt sich vornübergebeugt zu dem Tisch hin, auf dem die Flaschen stehen. Sie schraubt den Deckel einer der Schnapsflaschen ab und füllt einen alten Becher bis zum Rand.
»Aber, du wirst doch jetzt nicht noch mehr trinken?«
Doch, offensichtlich. Jonna starrt Alex an, die sich auf den Tisch stützt und den Becher leert, als handele es sich um Medizin. Dann verzieht sie angeekelt das Gesicht, schluckt aber und nickt Jonna zu.
»Das ist das Einzige, was hilft.«
Macht sie Witze? Nein, Alex hat mal wieder recht. Nur wenige Minuten später zittert sie gar nicht mehr, sie kann aufrecht stehen und normal gehen und fängt eifrig an, in ein paar herumstehenden Papiertüten zu wühlen. Sie holt ein Kleid und ein Paar dünne Strumpfhosen heraus, die sie anzieht, ohne auch nur im Geringsten mit den Fingernägeln darin hängen zu bleiben. Sogar das Grün weicht aus ihrem Gesicht. Als Jonna sieht, mit welcher Methode Alex sich entschieden hat, von den Toten aufzuerstehen, isst sie auch das nächste Brot allein. Mutter Teresa zu geben war sowieso nicht ihr Ding.
»Mach auf! Du hast eine SMS gekriegt!«
Alex hämmert laut an die Badezimmertür und ruft nach Minken.
»Außerdem brauche ich den Spiegel, ich muss los. Verdammt, stinkt das hier.«
Minken schlendert ins Zimmer, knöpft seinen Hosenstall zu und nimmt das Handy vom Nachttisch, das scheinbar ihm gehört. Jonna bleibt auf dem Bett sitzen, isst ihr Brot und sieht Minken zu, wie er träge die SMS aufruft. Sie sieht, wie er liest, plötzlich seltsam zusammenzuckt, sich dann bleich auf den Boden wirft und zum Fenster schielt.
Was zum Teufel ist geschehen?
Jonna schluckt eilig den Rest Brot hinunter und starrt Minken erschrocken an.
»Was ist denn los?«, flüstert sie, bekommt aber keine Antwort. Minken arbeitet sich zum Fenster vor und schiebt sich an die Wand gedrückt hoch. So späht er angestrengt auf die Straße hinunter. Dann zischt er: »Mach das Licht aus und komm her.«
Natürlich tut Jonna, was er ihr gesagt hat. Was stand denn nur in der SMS? Sie stellt sich auf der anderen Seite des Fensters dicht an die Wand und sieht genauso auf die Straße hinunter, wie Minken es tut.
»Siehst du was Verdächtiges?«
Was denn? Eine Bushaltestelle, wo ein paar alte Omas und ein Rollator stehen, ein Typ auf einem Fahrrad mit einem orangefarbenen Kindersitz, in einer Wohnung im Backsteinhaus gegenüber flimmert ein Fernseher, und ein paar Straßenlaternen gehen in der Dämmerung gerade blinkend an.
»Ne, also …«
»Draußen in der Stadt, ist dir da was aufgefallen?«
Zum Beispiel? Was sollte sie gesehen haben, wovor hat er denn plötzlich Angst? Jonna starrt ihn an und schüttelt den Kopf. Da kommt Alex aus dem Badezimmer.
»Ist das dunkel, ich mach mal das Licht an, ja?«
Ohne auf die Antwort zu warten, drückt sie auf den Lichtschalter, und Minken wirft sich wieder auf den Boden und robbt über Müll, Dreck und Kabel zu der Ecke, wo der Sessel steht. Er kriecht hinauf und schlingt die Arme fest um die Beine.
»Was ist denn mit euch los?«
Alex sieht erstaunt aus, wiederholt die Frage mit einem Lachen und zerrt dann eine Haarbürste aus einer der Papiertüten. Sie scheint zu glauben, dass dies ein Spiel ist, und Minken antwortet nicht, er sitzt nur da und starrt stur vor sich hin.
Jonna versucht zu erklären: »Da ist eine SMS gekommen.«
»Ja, ich weiß. Was stand drin?«
Immer noch keine Antwort von Minken, also nimmt Alex das Telefon, blättert zu
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