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Hoffnung: Roman (Heyne fliegt) (German Edition)

Hoffnung: Roman (Heyne fliegt) (German Edition)

Titel: Hoffnung: Roman (Heyne fliegt) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Asa Anderberg Strollo
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Jonna zeigen wird, warum sie keine Angst hat. Sie fängt an, in der hinteren Tasche ihrer Jeans zu wühlen.
    »Weil ich das hier habe. Als Ausweg.«
    Sie reicht Jonna eine kleine, mit Pulver gefüllte Plastikkap-
sel. Was ist das denn? Jonna nimmt die Kapsel zwischen die Finger, hält sie gegen das Licht der Laterne und schüttelt sie neugierig. Das Pulver ist grauweiß und grobkörnig wie Salz, aber sie kann es nicht richtig erkennen, weil das Plastik nicht ganz durchsichtig ist. Ist das eine Droge? Aber wie kann Elina es wagen, damit herumzulaufen, wird man nicht gefilzt, wenn man in den Knast kommt?
    »Das ist ganz legal, es kommt aus dem Chemieunterricht in der Oberstufe.«
    Elina verzieht das Gesicht und nimmt die Kapsel wieder an sich. Sie gehen weiter, während sie erklärt: »Ich habe vergessen, was genau es ist, aber wir sollten ein Experiment machen, und da hat unser Lehrer eine Schachtel mit diesen Kapseln hingestellt. Wir sollten sie in der Mitte durchschneiden und das Pulver in eines der Reagenzgläser füllen. Aber ich habe mir heimlich eine in die Tasche gesteckt, für den Fall, dass eines Tages mal alles schiefgeht.«
    Macht sie Witze? Jonna sieht Elina fragend an, kann ihr Gesicht aber nicht erkennen, denn sie sind grade in einem Waldstück. Es ist stockdunkel, aber die Autobahn ist zu hören, das Rauschen von der E4 dringt bis zu ihnen. Jonna muss lauter sprechen, was meint Elina denn damit, wie sollte ihr diese kleine Plastikkapsel denn helfen?
    »Weil da ätzende Säure drin ist. Wenn man die schluckt, stirbt man gleich.«
    Die liebe Elina.
    Oh nein, nicht auch sie.
    Jonna schnappt nach Luft und presst ihre Fingernägel in die Handflächen. Ihre Brust ist wie zugeschnürt, und die Hände kribbeln auf unangenehme Weise, am liebsten würde sie schreien und protestieren, aber sie findet keine Worte. Wie kann Elina nur so denken? Wie verdammt sinnlos das Ganze doch ist! Plötzlich dreht sich alles in ihrem Kopf.
    »In Kolsva, da gab es ein Mädchen …«
    Schweigen. Jetzt haben sie die Mitte der Fußgängerbrücke erreicht, sie stehen hoch oben, und unter ihnen rasen die Autos über die Autobahn. Jonna will Elina wirklich von Angelika Andersson erzählen, aber ihre Stimme versagt. Statt dass Jonna die Starke wäre, die tröstet, legt Elina schweigend einen Arm um sie und zieht sie an sich.
    »Du, das ist okay, weine ruhig.«
    Nein! Jonna macht sich los und lässt den Blick schweifen, fünf, sechs, acht, sie seufzt und versucht sich innerlich zu wappnen. Elina darf verdammt noch mal nicht dasselbe machen, das soll sie bloß nicht glauben, das lässt Jonna nicht zu.
    »Sie ist von so einer Fußgängerbrücke runtergesprungen.«
    Ihre Stimme versagt erneut, und Jonna fährt sich wütend mit den Händen übers Gesicht. Verdammt noch mal! Sie will das wirklich erzählen. Der Wind ist in ihre blond-grünen Haarsträhnen gefahren, sie streicht sie nach hinten und sieht Elina an.
    »Die Brücke steht genau neben meinem Gymnasium, dorthin ist Angelika gegangen.«
    Dann ist Schluss. Sie verstummt wieder, lehnt sich an das Brückengeländer aus Metall und sieht auf die Fahrbahn hinunter. Es scheint, als würden die Autos unter der Betonbrücke hindurchgeschossen werden, das sieht seltsam und sehr gefährlich aus. Sie zittert, als sie den Windstoß um die Beine spürt, wie stark er ist, wie wahnsinnig schnell doch die Autos da unten fahren.
    Keine Chance, dass es ihnen gelänge, rechtzeitig zu bremsen.
    Damals vor vier Jahren stand im Bärgslagsbladet , dass der Fahrer des Wagens einen schweren Schock erlitten habe. Das kann man sich vorstellen, es muss der schlimmste Tag seines Lebens gewesen sein. Wie wird es dann dem Chemielehrer ergehen, wenn Elina ihren Plan in die Tat umsetzt? Aber Schock, Verzweiflung, Trauer und Reue können mit der Zeit verblassen, heilen und vorübergehen, und dann hat trotzdem noch alles einen Sinn.
    »Sie muss doch wahnsinnig Angst gehabt haben.«
    Als Angelika Andersson über das Metallgeländer geklettert ist, da hatte sie doch bestimmt Angst.
    Jonna umklammert das kalte Geländer mit ihren nackten Händen, sieht nach unten und spürt, wie die Streben sich durch den Jackenstoff an ihren Bauch drücken. Die Kälte des Metalls, die deutliche Abgrenzung, der Abgrund vor ihr – der Magen dreht sich ihr um. Es war kurz nach Weihnachten gewesen, vor vier Jahren.
    Aber wie macht man das denn, erst das eine Bein, dann auf dem Geländer sitzen bleiben und dann das andere Bein? Also, macht

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