Hoffnung: Roman (Heyne fliegt) (German Edition)
duschen. Außerdem brauchst du neue Klamotten. Wenn du nicht bald was gegen diese Jeans unternimmst, wird die Polizei dich einsammeln.«
»Ach, und wieso? Verstoß gegen die Empfindlichkeiten der Schickeria?«
»Haha, das war echt witzig!«
Alex lacht, aber Jonna seufzt nur noch mehr. Meine Güte, was die die ganze Zeit rumlabert, kann sie der Welt nicht mal einen Dienst erweisen und eine Sekunde die Klappe halten? Da sieht sie ein Paar, einen Mann und eine Frau, die bunte Skitaschen und ein paar Tüten schleppen, sie kommen Hand in Hand aus dem Gedränge an Gleis 10. Abgesehen von dem heftigen Naturfreunde-Look erinnern sie tatsächlich ein wenig an – Mama und Claes.
Die müssten sich inzwischen wieder in Kolsva eingefunden haben. Mehr als eine Woche ist vergangen, und Mallorca, der Pool und die All-inclusive-Drinks dürften Vergangenheit sein.
Wenn er ihr nun etwas anderes zu Weihnachten geschenkt hätte? Wenn sie nicht weggefahren wären und wenn Mama die vier handverlesenen Urlaubstage zu Hause in Kolsva verbracht hätte, wie wäre es dann zwischen ihr und Jonna gewesen? Hätte das wirklich etwas grundsätzlich verändert, wäre Mama mit Jonna und Oma zu Hause geblieben und hätte sich Zeit genommen, oder waren diese Reisetickets eigentlich gar nicht entscheidend?
Wie auch immer, es ist seltsam, jetzt daran zu denken, an diesen Tropfen, der das Fass zum Überlaufen brachte, dieses scheinbar unbedeutende Ereignis, das große und entscheidende Prozesse in Gang setzte. Und was diesen Prozess angeht – wäre das, was in diesen Tagen in Jonnas Innerem geschehen ist, nicht irgendwann sowieso passiert?
»Also, sollen wir los?«
Was? Jonna wird aus ihren Gedanken gerissen und sieht Alex erstaunt an, die mit ungeduldiger und auffordernder Miene vor ihr steht.
Was war das, wohin sollten sie noch fahren?
»Jetzt komm schon – das war nur ein verdammter Plastiktroll!«
»Was?«
»Oder geht es dir um den Notizblock?«
Endlich begreift Jonna, aber sie schüttelt den Kopf.
»Was denkst du denn, die Sachen sind mir doch scheißegal.«
»Okay, aber vielleicht hattest du ja eine Menge peinlicher privater Sachen da reingeschrieben, die kein anderer lesen darf.«
»Sag mal, glaubst du, ich bin total bescheuert?«
Jetzt explodiert Jonna, sie schreit es einfach heraus, es macht sie so verdammt wütend, was ist das denn für eine miese Unterstellung? Wie kann Alex das überhaupt fragen, schließlich haben sie die ganze Nacht wie blöd gesucht, sind mit den Nachtbussen kreuz und quer durch die ganze Stadt gefahren und haben in die Kälte und die beschissene Dunkelheit hinausgestarrt – ist doch glasklar, dass Jonna nur an Elina denken kann und sich um niemand anderen Sorgen macht!
»Was weiß denn ich, schließlich war er von deinem Papa.«
»Alex, jetzt hör aber auf!«
»Okay, entschuldige bitte, dass ich mich bemühe!«
Alex lässt sich sauer wieder auf der Bank nieder und seufzt demonstrativ, aber Jonna sieht nur weg, in die andere Richtung, zu Gleis 10 und dann zu dem McDonald’s. Sie hätte Alex einfach nicht so viel von sich verraten sollen, heute Nacht in einem der Busse, da hat sie ihr von dem Bleistifttroll und dem Notizbuch erzählt. Sie hätte es wirklich besser wissen können, mit Alex kann man einfach nicht so reden wie mit Elina. Zum Teufel. Und jetzt kommen auch schon wieder die Tränen, sie blinzelt wütend und legt dann die Hände über die Augen.
»He, du …«, sagt Alex jetzt mit sanfterer Stimme, »sie nimmt es vielleicht gar nicht so schwer wie du.«
Widerwillig lässt Jonna die Hände sinken und sieht Alex an. »Ach, ja? Weißt du, was ihr Bruder macht?« Sie schnäuzt sie sich in ihren Jackenärmel, um weitersprechen zu können. »Klar nimmt sie das nicht so schwer wie ich, sie muss es schließlich noch tausendmal schwerer nehmen. Diese Abstellkammer war absolut das Einzige, was sie hatte.«
»Trotzdem, Jonna. Elina ist nicht du. Sie hat schon einiges mitgemacht, sie weiß, dass so was andauernd passiert.«
Später stehen sie im Eriksdals-Bad unter der Dusche.
Da sind heute ungewöhnlich viele Leute, was Alex auf all das Weihnachtsessen schiebt – das muss jetzt wohl wieder wegtrainiert werden, haha. Sie ist plötzlich richtig lieb, strengt sich wirklich an und versucht, Witze zu machen, um Jonnas Laune zu heben. Schade nur, dass es überhaupt nicht funktioniert.
Jonna geht schweigend und holt sich Shampoo aus einer unbewachten Flasche auf einem Regal, massiert es in die
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