Hogan, S: Steampunk-Saga: Episode 7
Menschen Indiens fürchten sich jetzt schon. Es gibt ein Ungeheuer, das sie in Schrecken versetzt. Gegen die Bestie hilft keine moderne Schusswaffe. Die Blutspur, die das Wesen durch unser Land zieht, wird immer länger und breiter. Und je stärker die Angst um sich greift, desto mehr werden sie sich nach einem Mann sehnen, der sie von dem Übel befreit. Und dieser Mann werde ich sein.“
Der glatzköpfige Inder verstummte abrupt. Es war, als würde ihm plötzlich wieder bewusst werden, dass er nicht allein war. Er machte eine Handbewegung, als ob er ein paar lästige Mücken verscheuchen wollte.
„Du kannst gehen, Suna. Sperre Kate Fenton in eine Kammer und hol dir etwas zum Essen. Später reitet ihr dann wieder nach Bombay zurück, verstanden?“
„Sehr wohl, Meister.“
Suna hatte die ganze Zeit auf den Knien gelegen, Kate natürlich auch. Nun erhoben sich die beiden und verließen den selbsternannten Rebellenführer. Kate hätte Suna am liebsten geschüttelt und angeschrien. Wie war es nur möglich, dass die Inderin sich so völlig ergeben diesem Mistkerl unterwarf? Verfügte Makhras ebenfalls über magische Kräfte, die denen von Suna vielleicht sogar noch überlegen waren? Oder gab es ein anderes dunkles Geheimnis, das die beiden miteinander verband?
Die Gedanken schwirrten in Kates Kopf umher, aber sie kam zu keinem Ergebnis. Suna brachte sie in einen kleinen Raum, der an eine Mönchszelle erinnerte. Es gab ein Fenster, aber was nützte das? Um zu fliehen, hätte Kate ja ihren eigenen Willen haben müssen. Und sie stand nach wie vor völlig unter Sunas unheimlichem Einfluss.
„Du kannst dich hier ein wenig ausruhen, bevor wir zu deinem Hotel zurückkehren. Ich lasse dir auch gleich etwas zum Essen bringen. Es soll niemand sagen, dass Makhras seine Gäste schlecht behandelt.“
Kate konnte noch nicht einmal mehr weinen. Die Aussicht auf ihren unausweichlichen Tod am nächsten Tag hatte sie innerlich gelähmt. Normalerweise fiel Kate für jedes Problem eine Lösung ein. Aber diesmal war sie mit ihrem Latein am Ende. Was hatte Makhras mit seinem Gefasel über die furchterregende Bestie eigentlich gemeint? Sprach er von demselben Untier, über das Kate bereits in Londoner Zeitungen gelesen hatte? Und wieso glaubte er, dass dieses Monster ihm die Menschen in die Arme treiben würde?
Kate wurde von heftigen Kopfschmerzen geplagt, was angesichts ihrer Lage kein Wunder war. Da öffnete sich die Tür. Sie war nicht abgeschlossen oder verriegelt gewesen, denn Kate bewegte sich ohne Sunas Befehl kein Stück von der Stelle.
Ein junger Inder betrat leise den Raum und zog schnell die Tür wieder hinter sich zu. Kate schaute ihn blinzelnd an. Da der Mann sich in dieser verlassenen Tempelanlage abseits der Zivilisation aufhielt, musste er ein Anhänger von Makhras sein. Wahrscheinlich sollte er ihr nur das Essen bringen, wie es von Suna angekündigt worden war. Und wirklich hielt der Inder ein Fladenbrot und eine Tonschale mit scharf duftender Suppe in den Händen. Einen Löffel hatte er auch dabei.
Er gab Kate die Speisen. Obwohl sie sich hundeelend fühlte, meldete sich nun ihr Magen mit lautem Knurren zu Wort. Kate machte sich über die Suppe her und biss gierig in das Brot. Wenn sie schon am nächsten Tag sterben musste, dann wollte sie wenigstens jetzt noch einmal satt werden.
Der Inder kauerte sich neben sie und schaute ihr zu. Seine Haut war noch um einige Nuancen dunkler als die von Suna, und der Blick seiner beinahe schwarzen Augen war tief und sehr ausdrucksvoll. Er trug eine weite dunkle Pluderhose und eine Art ärmelloses Wams. Daher konnte Kate sehen, dass seine Arme sehr sehnig und muskulös waren. Und doch hatte er nicht die Hände eines Arbeiters, die meist zerschunden und voller Hornhaut waren. Kate konnte das gut beurteilen. Sie lebte im Eastend von London, wo sich die meisten Menschen mit Handarbeit ihren Lebensunterhalt verdienten. Die Leute dort waren Lastträger, Heizer, Dockarbeiter, Weber oder Gerber.
Der Inder hatte volle rötliche Lippen, die von einem kurzen gepflegten Vollbart umgeben waren. Kate dachte sich, dass ein solcher Mund bei einem Mann beinahe schon provokant wirkte. Er machte auf das Küssen neugierig … kaum war ihr dieser Einfall gekommen, als sie sich auch schon dafür schämte. Sie stand an der Schwelle des Todes und dachte trotzdem an Knutscherei!
Vielleicht lag es ja daran, dass Kates Seele mit ihrer ausweglosen Situation einfach überfordert war. Oder war die
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