Hohlbein Wolfgang - Die Chronik der Unsterblichen 1
freigab, auf der eine dünne, wie mit einer feinen roten Feder gezogene Linie zu sehen war.
Delãny trat dem Mann mit ruhigem Schritt entgegen und vollführte gleichzeitig eine blitzartige halbkreisförmige Bewegung mit dem Sarazenenschwert. Wie beabsichtigt traf er keinen der beiden anderen Angreifer, zwang die Soldaten aber auf diese Weise, ihre Attacken aufzugeben und sich hastig in Sicherheit zu bringen. In dem Moment, in dem der Sterbende an ihm vorbeitorkelte und langsam in die Knie ging, führte Andrej seine Drehbewegung zu Ende und ließ sie in einen grätschbeinigen Sprung übergehen, der ihn mit wehendem Mantel auf Domenicus und seinen Leibwächter zukatapultierte.
Rings um ihn herum gellten Schreie auf. Die Arena, in deren Zentrum sie sich befanden, explodierte förmlich, und aus unbeteiligten Zuschauern wurden Menschen, die sich unvermittelt mit einer ganz konkreten Gefahr für ihr eigenes Leben konfrontiert sahen.
Irgendwo am Rande von Andrejs Gesichtsfeld blitzte es goldfarben auf. Er hörte Frederic schreien. Nichts davon war wichtig. Andrej verschmolz mit seinem Schwert; er bemühte sich nicht, seinen Körper zu bewegen, sondern wurde selbst zu einer einzigen rasend schnellen, fließenden Bewegung, die ihn vor den Augen der entsetzten Zuschauer zu einem huschenden Schatten machte - so schnell, daß er kaum noch zu erkennen war. Das Sarazenenschwert zerteilte die Luft mit dem Geräusch von zerreißender Seide.
Auch Domenicus Beschützer reagierte. Andrej registrierte mit leiser Verblüffung, daß der Mann tatsächlich bereit war, sein Leben für den Inquisitor zu geben - und er war schnell; erstaunlich schnell für einen Mann, der nicht von einem Michail Nadasdy jahrelang in geheimen Kampfkünsten trainiert worden war.
Doch im Vergleich zu Andrej war seine Reaktion geradezu lächerlich langsam; und vollkommen sinnlos dazu. Das Sarazenenschwert war scharf genug, den Mann zu enthaupten und selbst den hinter ihm stehenden Inquisitor noch tödlich zu treffen.
Andrej hatte jedoch nicht vor, Vater Domenicus zu töten. Sein Tod hätte unweigerlich auch Frederics Tod zur Folge gehabt - und vermutlich auch den der gefangenen Menschen aus Borsã.
11
Der Hieb war sanft im Vergleich zu dem, was er hätte anrichten können, aber trotzdem wuchtig genug, um dem Soldaten auf der Stelle das Bewußtsein zu rauben und ihn gegen den Geistlichen zu schleudern.
Andrej gönnte sich keine Atempause. Das Sarazenenschwert eilte wie von selbst seiner Bewegung voraus; die Waffe vollführte eine tänzelnde Welle und zischte plötzlich von unten nach oben durch die Luft. Doch plötzlich traf sie auf Widerstand.
Der Soldat, der auf Domenicus Wink hin Maria gepackt hatte, starrte verständnislos an sich herab und sank langsam in die Knie. Noch bevor er vollends am Boden lag, war Andrej schon bei der Schwester des Inquisitors, hatte sie an sich gerissen und ihr den Arm auf den Rücken gedreht. Das Sarazenenschwert verharrte reglos einen halben Zoll vor ihrer Kehle. Seit er seine Waffe gezogen hatte, waren weniger als drei Herzschläge vergangen.
»Nicht bewegen«, sagte Andrej. Er sprach schnell und sehr leise. Die Worte waren nur für Maria bestimmt.
»Ich tue dir nichts. Keine Angst.« Dann schrie er laut: »Niemand rührt sich, oder sie stirbt!«
Die junge Frau erstarrte in seinen Armen, und die beiden Soldaten, die sich langsam und unbeholfen - wie Marionetten in der Hand eines ungeschickten Spielers - herumgedreht hatten, um sich auf ihn zu stürzen, verharrten unschlüssig mitten in der Bewegung. Einzig der goldene Ritter reagierte schnell genug. Mit einem raschen Schritt in Andrej s Richtung eilte er heran und riß Frederic an sich; in seiner linken Hand blitzte ein Dolch.
»Malthus! Nein !«
Domenicus erhob hastig mit einer abwehrenden Geste den linken Arm in Richtung des Ritters, den anderen richtete er mit einer fast identischen, zugleich aber auch flehenden Bewegung auf Andrej. Er blutete aus einer kleinen Platzwunde an der Stirn, die er sich zugezogen haben mußte, als der Soldat ihn mit zu Boden gerissen hatte.
Malthus ging einen weiteren Schritt auf Andrej zu und bog Frederics Kopf in den Nacken zurück. Delãny sah, daß der Junge schreien wollte, aber nicht genug Luft bekam. In den Augen des goldenen Ritters erschien ein kaltes, boshaftes Glitzern. Er schenkte weder Domenicus’ Geste noch seinen Worten auch nur die geringste Beachtung.
»Malthus, bleibt stehen!« sagte der Inquisitor scharf. »Ich befehle es
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