Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Hohlbein Wolfgang - Die Chronik der Unsterblichen 1

Hohlbein Wolfgang - Die Chronik der Unsterblichen 1

Titel: Hohlbein Wolfgang - Die Chronik der Unsterblichen 1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Am Abgrund
Vom Netzwerk:
Euch!«
Der Ritter machte noch einen Schritt, ehe er endlich innehielt und auch Frederics Kopf wenigstens so weit freigab, daß der Junge wieder richtig atmen konnte.
»Laßt meine Schwester los!« sagte Dominicus im Befehlston zu Andrej. Er war ein Mann, der mit Macht umzugehen wußte, das war deutlich zu spüren. Und wenngleich auch der gequälte Ausdruck in seinem Blick seine Worte Lügen zu strafen schien, klang seine Stimme doch hart und unnachgiebig.
»Ich fürchte, das kann ich nicht tun, ehrwürdiger Vater«, entgegnete Andrej spöttisch. »Das wäre nämlich äußerst dumm. Und ich hasse es, etwas Dummes zu tun.«
»Laß sie los, oder der Junge stirbt!« rief Malthus.
»Und wenn ich sie freigebe, laßt Ihr uns gehen?«
Malthus wollte antworten, aber Domenicus unterbrach ihn mit einer herrischen Geste.
»Ihr wißt, daß wir das nicht tun werden, Delãny«, sagte er. »Macht es nicht noch schlimmer. Ich gebe Euch mein Wort, daß wir diesen Zwischenfall hier vergessen werden, wenn Ihr Maria freigebt. Er wird keinerlei Einfluß auf Euren Prozeß haben.«
Es war beinahe grotesk - aber Andrej glaubte ihm. Er hatte gerade vor Domenicus Augen zwei seiner Männer getötet, und trotzdem war der Inquisitor bereit, diesen Zwischenfall einfach zu vergessen. Entweder liebte er seine Schwester abgöttisch, oder ein Menschenleben war ihm so gleichgültig wie der Schmutz unter seinen Schuhsohlen. Vielleicht beides.
Andrej s Gedanken rasten wie wild. Die Situation entsprach dem, was Michail Nadasdy ein klassisches Patt genannt hätte - aber das würde nicht mehr lange so bleiben. Das Kräfteverhältnis verschob sich mit jedem Moment weiter zu seinen Ungunsten. Die meisten Zuschauer waren mittlerweile verstummt. Sie sahen dem
Geschehen mit morbider Neugier zu; die Nervosität setzte sich wie die Wellen eines ins Wasser geworfenen Steines in der Menschenmenge fort. Wie lange würde es noch dauern, bis die Soldaten des Herzogs auftauchten, denen das Wohl Marias vermutlich weniger am Herzen lag als ihrem Bruder?
»Ich meine es ernst, Domenicus«, sagte Andrej. »Gebt den Jungen frei und laßt uns gehen, dann passiert Eurer Schwester nichts. Ich habe nichts mehr zu verlieren.«
Er haßte sich selbst für das, was er jetzt tat, aber um seinen Worten den gehörigen Nachdruck zu verleihen, ritzte er mit einer winzigen Bewegung des Sarazenenschwerts Marias Haut. Wahrscheinlich spürte sie den Kratzer kaum; trotzdem sog sie scharf die Luft ein und versteifte sich in seinen Armen. Ein einzelner roter Blutstropfen lief an ihrem Hals herab.
Domenicus Augen weiteten sich, und seine Linke schloß sich impulsiv um das schwere Goldkreuz vor seiner Brust.
Andrej bemerkte aus den Augenwinkeln heraus, daß nun genau das geschah, was er befürchtet hatte: Auf dem Marktplatz war eine Art stiller Panik ausgebrochen; die Menschen versuchten, schnell vom Ort des Geschehens zu flüchten wenn auch nur die wenigsten wissen konnten, was überhaupt vorgefallen war. Doch aus der Richtung des Schlosses näherte sich ein halbes Dutzend Lanzenspitzen, die über den Köpfen der Flüchtenden zu pendeln schienen; und unter diesen Spitzen schimmerte es orangerot und weiß. Frederic und ihm würde eine Minute bleiben, schätzte Andrej; im besten Fall zwei, wenn die Menge die Soldaten lange genug aufhielt.
Auch Domenicus hatte die Soldaten bemerkt, aber Andrej las in seinen Augen, daß er keineswegs triumphierte. Vielmehr schien er sich der Gefahr, die das Erscheinen der Uniformierten für seine Schwester bedeutete, bewußt zu sein. Hinter seiner Stirn arbeitete es. Er ballte die rechte Hand zur Faust, schloß für einen Moment die Augen und nickte dann.
»Laßt den Jungen los!« befahl er.
Malthus schnaubte vor Wut. Statt Frederic freizugeben, zog er seinen Dolch langsam über die Kehle des Jungen. Der Schnitt war kaum tiefer als der, den Andrej Maria zugefügt hatte, aber viel länger. Ein schneller und abrupt wieder endender Schwall Blutes schoß aus Frederics Hals und versickerte in seiner Kleidung.
»Malthusl« Domenicus’ Stimme war nur noch einen Deut davon entfernt, zu einem Schrei zu werden. »Laßt ihn los!Sofort!«
Für einen entsetzlich langen Moment reagierte der goldene Ritter nicht, sondern starrte Andrej nur mit einem Haß an, den dieser nicht verstand. Der blutige Dolch in seiner Hand bewegte sich, seine Spitze bohrte sich in das weiche Fleisch unter Frederics Kinn, so daß der Junge nun von sich aus den Kopf so weit in den Nakken bog, wie er nur

Weitere Kostenlose Bücher