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Hohlbein Wolfgang - Die Chronik der Unsterblichen 1

Hohlbein Wolfgang - Die Chronik der Unsterblichen 1

Titel: Hohlbein Wolfgang - Die Chronik der Unsterblichen 1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Am Abgrund
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anderen Hand hielt sie etwas, von dem Andrej glaubte, daß es Domenicus’ goldenes Kreuz war. Ihr kostbares Kleid war mit häßlichen, eingetrockneten Flecken übersät … dem Blut ihres toten Bruders.
Maria blickte weiterhin nachdenklich zum Haus hinüber - Andrej war sicher, daß sie das Fenster ansah, hinter dem er stand - und wandte ihre Aufmerksamkeit erst wieder nach vorne, als sie das Gebäude schon längst passiert hatten. Andrej schaute ihr nach, bis sie aus seinem Gesichtsfeld verschwunden war, und selbst danach stand er noch lange reglos da und starrte ins Leere.
Es verging fast eine halbe Stunde, ehe Frederic die Treppe wieder heruntergepoltert kam. Andrej hatte sich an der Wand unter dem Fenster zu Boden sinken lassen und den Kopf gegen den mürben Stein gelehnt.
Als Frederic nun die schmale Stiege herunterkam, ächzte die altersschwache Konstruktion unter seinem Gewicht. Eine der morschen Stufen löste sich, und eine gewaltige Staubwolke wirbelte hoch, als sie auf den Boden fiel und zerbrach. Andrej blickte auf und sah, daß der Junge nicht mit leeren Händen zurückkam, sondern mehrere unordentlich zusammengeknüllte Kleidungsstücke über dem Arm trug. Es fiel ihm sichtlich schwer, auf den morschen Stufen das Gleichgewicht zu halten.
Andrej erhob sich und ging ihm ein Stück entgegen, machte aber keine Anstalten, ihm zu helfen. »Was hast du da?« fragte er überflüssigerweise.
»Andere Kleider«, antwortete Frederic. »In unseren alten Sachen fallen wir überall auf. Sie suchen doch bestimmt schon nach uns.«
»Woher hast du das?«
»Oben im Haus gefunden«, behauptete Frederic. »In einer alten Kiste.«
Andrej griff wortlos nach einem langen Leinenhemd und roch daran. »Du lügst. Die Sachen sind frisch gewaschen.«
Frederic preßte trotzig die Lippen aufeinander, zuckte aber schließlich mit den Schultern und fügte mit einer Bewegung, die wohl ein Kopfnicken darstellen sollte, hinzu: »Man kann von oben in den benachbarten Hof hinuntersteigen. Die Sachen hingen auf der Leine. Niemand hat mich gesehen. Bestimmt nicht!«
Andrej verschluckte die ärgerliche Bemerkung, die ihm auf der Zunge lag, und sichtete statt dessen die Kleidungsstücke. Es handelte sich um einfache Hosen, bunte Schärpen und steife Gewänder, die Andrej wohl knapp, dem Jungen dagegen überhaupt nicht passen würden. Trotzdem würden sie in diesen Sachen natürlich viel weniger auffallen als in der blutbesudelten und ihren Häschern nur allzu gut bekannten Kleidung, die sie momentan trugen.
Nachdem sie sich umgezogen hatten, meinte Andrej: »Wir können nicht hierbleiben.«
Frederic krempelte die Ärmel des viel zu großen Gewandes auf und schlang sich die Schärpe um die Hüften, wodurch der zu üppig bemessene Stoff noch mehr als
zuvor auftrug. Er wirkte ziemlich lächerlich in dieser Aufmachung. »Wäre es nicht besser, wenn wir hierbleiben, bis es dunkel ist?« fragte er.
»Wahrscheinlich. Aber ich fürchte, unsere Nachbarin wird nicht sehr erbaut sein, wenn sie feststellt, daß ihr jemand die Wäsche von der Leine gestohlen hat. Außerdem müssen wir Krusha und seinen Bruder treffen - jetzt dringender denn je.«

12
    Es war ein merkwürdiges Gefühl, zu wissen, daß es nun gleich ernst werden würde. Dabei konnte Delãny nur hoffen, daß der Informant heute im »Einäugigen Bären« auf sie wartete und die Sache tatsächlich ohne weitere Verzögerung über die Bühne ging. Jede Stunde, die sie länger als unbedingt nötig in Constãntã blieben, brachte sie dem Kerker ein Stück näher - aber auf dem direkten Wege und nicht bei dem Versuch, die verbliebenen Dorfbewohner aus Borsã zu retten.
    Andrej riß einen gut armlangen Streifen aus dem Gewand, das ihm Krusha geliehen hatte, und wickelte das Sarazenenschwert darin ein. Dann wandte er sich an Frederic.
    »Laß mich nach deinem Hals sehen.«
    Frederic legte die linke Hand auf den schmutzigen Verband an seinem Hals und wich kopfschüttelnd einen halben Schritt zurück. »Das ist nur ein Kratzer«, wiegelte er ab.
    »Aber er muß weh tun.«
»Nicht sehr. Und ich bin nicht aus Zucker.«
Andrej seufzte, beließ es aber dabei. Frederic war viel zu stolz, um zuzugeben,
    daß er Schmerzen hatte. Nicht sehr vernünftig, aber in Anbetracht seines Alters verständlich. Außerdem war jetzt nicht der richtige Zeitpunkt, um darüber zu diskutieren.
    Andrej deutete mit einer müden Kopfbewegung zur Tür: »Gehen wir.« Um den Patrouillen des Herzogs und den Schergen des Inquisitors

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