Hohlbein Wolfgang - Die Chronik der Unsterblichen 1
gerichtet, und sein Blick wurde von Sekunde zu Sekunde durchdringender.
»Außerdem waren wir verabredet, wenn ich mich richtig erinnere«, fügte Andrej nach einer kurzen Weile hinzu.
»Das war, bevor du den Pfaffen umgebracht und dem Herzog damit einen Vorwand geliefert hast, die ganze Stadt auf den Kopf zu stellen!« sagte Sergé noch immer erregt. »Du mußt völlig verrückt sein, jetzt noch herzukommen!«
Andrej blickte ihn nachdenklich an. »Neuigkeiten scheinen sich schnell herumzusprechen«, sagte er.
»Und um so schneller, je schlechter sie sind«, bestätigte Krusha. »Der Herzog hat einen Preis auf deinen Kopf ausgesetzt, Delãny. Und zwar nur auf deinen Kopf, wenn du verstehst, was ich meine.« Er seufzte. »Fünfzig Pfund in Gold. Und keine Fragen.«
»Das … ist eine Menge Geld«, murmelte Andrej überrascht.
»Ein Vermögen«, bestätigte Krusha. »Genug, um sogar mich in Versuchung zu führen … Aber nicht genug, um mich meine beiden toten Brüder vergessen zu lassen.«
Andrej war nicht sicher, was er von der letzten Aussage halten sollte. Krusha war sicher der intelligentere der beiden überlebenden Brüder, aber das bedeutete natürlich nicht, daß er auch vertrauenswürdig war.
»Soll ich wieder gehen?« fragte er.
»Nein«, antwortete Krusha. Der Wirt kam und stellte zwei nur halb gefüllte Krüge mit dünnem Bier auf den Tisch, die Krusha sofort bezahlte. Sie warteten, bis sich der Mann wieder entfernt hatte, dann fuhr Krusha fort: »Ich gebe zu, wir haben nicht mehr damit gerechnet, daß du kommst. Andererseits haben wir eine Abmachung. Du willst doch sicher immer noch deine Leute befreien?«
»Wäre ich sonst hier?« Andrej warf einen fragenden Blick auf den Grauhaarigen, aber Krusha versuchte ihn mit einer raschen Geste zu beruhigen.
»Ják ist vertrauenswürdig«, sagte er. »Keine Angst. Du kannst offen reden.«
Andrej trank einen Schluck Bier. Es schmeckte noch dünner, als es aussah,
aber das machte nichts. Was er jetzt vor allem brauchte, war ein klarer Kopf.
»Es tut mit leid, daß …« Er zögerte einen winzigen Augenblick, gerade lange genug, um zu dem Schluß zu kommen, daß Krusha nicht alle Einzelheiten zu wissen brauchte. »… der Zwischenfall auf dem Marktplatz passiert ist.«
»Du nennst es einen Zwischenfall, einen persönlichen Gast des Herzogs und hohen Abgesandten der Kirche umzubringen?« krächzte Sergé.
»Bedauerst du seinen Tod?« erkundigte sich Andrej in fast freundlichem Tonfall.
»Nein, überhaupt nicht«, antwortete Krusha an Stelle seines Bruders. »Aber er macht alles schwieriger. Eure Tat bringt den Herzog in eine unangenehme Lage
- und das gerade jetzt, wo er unter Umständen schon bald auf Verbündete angewiesen ist, falls die Türken wirklich angreifen. Er wird alles in seiner Macht Stehende tun, um eurer habhaft zu werden. Das Risiko, mit euch gesehen zu werden, ist gestiegen.«
»Und damit auch der Preis, den ihr für eure Hilfe verlangt«, vermutete Frederic.
»Er hat sich verdoppelt, fürchte ich«, bestätigte Krusha die Vermutung des Jungen ohne jegliche Regung in seiner Stimme.
Andrej hatte Mühe, den Gedanken des angeblichen Schaustellers zu folgen. »Verbessere mich, wenn ich etwas Falsches sage«, sagte er. »Aber wenn ich mich richtig erinnere, dann haben wir noch gar nicht über die Summe gesprochen, die du für deine Hilfe verlangst.«
Krusha grinste. »Du erinnerst dich richtig, Delãny.«
»Wie also kannst du sie verdoppeln?«
Krusha trank einen gewaltigen Schluck von seinem Bier, ehe er antwortete. »Streiten wir nicht über Kleinigkeiten«, bemerkte er lächelnd und deutete auf den Grauhaarigen. »Ják hat zuverlässige Informationen, was den Aufenthaltsort eurer Leute angeht - und auch ihr weiteres Schicksal.«
»Und was verlangt er dafür?« fragte Andrej.
»Nur einen Anteil von dem, was wir verlangen«, sagte Krusha.
Andrej mußte sich beherrschen, um nach außen hin wenigstens noch halbwegs ruhig zu bleiben. Krusha genoß es in vollen Zügen, ihn auf die Folter zu spannen. »Und was verlangt ihr« fragte Andrej mit erzwungener Ruhe nach.
»Nicht viel, wenn man bedenkt, was du dafür bekommst und welches Risiko wir dafür eingehen. Nur das, was sich in der Schatztruhe des Herzogs befindet.«
Andrej blinzelte ungläubig. »Was?«
»Die persönliche Schatztruhe des Herzogs«, wiederholte Krusha. »Es heißt, sie sei gut gefüllt. Und noch um etliches besser, seit sich der Inquisitor als Gast auf dem Schloß aufhält. Aber keine Sorge«,
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