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Hohlbein Wolfgang - Die Chronik der Unsterblichen 1

Hohlbein Wolfgang - Die Chronik der Unsterblichen 1

Titel: Hohlbein Wolfgang - Die Chronik der Unsterblichen 1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Am Abgrund
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Euch. Sie wäre es nicht einmal, wenn Ihr ihrem Bruder keinen Dolch in den Hals gerammt hättet.«
Andrej war irritiert. Sah man ihm seine Gefühle so deutlich an? Ein einziger Blick in Jáks Gesicht genügte, um diese Frage mit einem klaren Ja zu beantworten. Andrejs Verwirrung verwandelte sich in Schrecken. Was war mit ihm los? Er war auf dem Weg in die Höhle des Löwen, er brauchte jedes Quentchen Konzentration, um die nächste halbe Stunde zu überstehen - und er hatte nichts Besseres zu tun, als über eine Frau nachzudenken!
Sie betraten den Turm nicht über die Treppe, wie Andrej erwartet hatte, sondern Ják führte ihn zu einem kleinen, offenbar nachträglich an die Seite des Donjon angebauten Gebäude aus klobigen Felssteinen, öffnete eine niedrige Tür und winkte ungeduldig mit der Hand. Andrej bückte sich unter dem niedrigen Sturz, drehte sich dann aber noch einmal um und sah über den Hof. Maria und ihre Begleiter befanden sich auf halbem Wege zum Tor. Trotz der vorgerückten Stunde wollte die junge Frau das Schloß offensichtlich noch einmal verlassen deshalb auch die Eskorte, die der Herzog ihr mitgegeben hatte. Der goldene Ritter hingegen steuerte mit schnellen Schritten auf den Pferdestall zu. Andrej sah ihm nach, bis er darin verschwunden war.
»Ein unheimlicher Bursche, nicht wahr?« fragte Ják. »Genau wie die beiden anderen. Ich bin froh, wenn sie wieder weg sind.«
»Wer sind sie?« fragte Andrej, während er nun vollends durch die Tür trat, sich aufrichtete und sich in dem düsteren Raum zu orientieren suchte - und sich dabei verzweifelt fragte, warum Ják von insgesamt drei goldenen Rittern gesprochen hatte, wo doch Sergé einen von ihnen bereits getötet hatte. Irgendwie ging die Rechnung nicht auf.
»Sie stehen im Dienste des Inquisitors, aber viel mehr weiß niemand über sie. Ich glaube, nicht einmal der Herzog selbst.« Ják deutete auf eine Tür in der gegenüberliegenden Wand. »Von hier aus müßt Ihr allein weitergehen. Aber Ihr könnt den Weg im Grunde nicht verfehlen. Die Treppe hinauf, bis ins letzte Stockwerk. Das Schlafzimmer des Herzogs liegt ganz am Ende des Ganges.« Er lächelte flüchtig. »Ihr werdet es leicht erkennen. Vor der Tür steht ein bewaffneter Posten. Normalerweise sind es zwei, aber der Herzog hat fast alle seine Männer losgeschickt, um nach Domenicus’ Mördern zu suchen.«
»Wie komme ich an ihm vorbei?« fragte Andrej.
Jáks Lächeln wurde noch kälter. »Er darf keine Zeit finden, um Hilfe zu rufen«, sagte er. »Draußen auf dem Wehrgang patrouillieren Männer. Nicht so viele wie sonst, aber ein Mann hört einen Schrei so gut wie fünf, nicht wahr?«
»Ihr verlangt also, daß ich ihn töte«, sagte Andrej grimmig. »Einen Eurer eigenen Männer.«
»Einen Soldaten«, erwiderte Ják achselzuckend. »Wozu sind Soldaten da, wenn nicht zum Sterben? Und wenn Euch Euer Gewissen plagt, Andrej, seht es von diesem Standpunkt aus: Ihr nehmt ein Leben und rettet dafür fünfzig.«
»Was sollte mich daran hindern, diese Rechnung mit Euch auszumachen?« fragte Andrej leise. »Ihr wißt, wo die Gefangenen sind.« Er legte die Hand auf den Gürtel.
Ják lächelte zynisch. »Laßt Eure Waffe stecken, Delãny«, sagte er. »Ihr wollt wissen, wo die Gefangenen sind? Ich sage es Euch. Wir sind ganz in ihrer Nähe. Der Kerker befindet sich unmittelbar unter unseren Füßen. Ihr müßt nur der Treppe nach unten folgen statt nach oben, um sie zu finden. Ihr könnt den Gestank so wenig ignorieren, wie Ihr das Gejammer überhören werdet. Es sind nicht einmal viele Wachen da. Zwei, vielleicht drei …« Er zuckte mit den Achseln. »Für einen Mann wie Euch kein Hindernis, nehme ich an. Aber wie wollt Ihr fünfzig Menschen unbemerkt aus dem Schloß bringen, von denen noch dazu die Hälfte krank oder verletzt ist?«
Andrej starrte Ják an, ohne zu antworten. Aber plötzlich spürte er eine Regung in sich, die neu war: Er hatte das Bedürfnis, diesen Mann zu schlagen - nicht um ihn für etwas zu bestrafen oder um eine Information aus ihm herauszupressen, sondern einfach, weil er ihm weh tun wollte.
»Wißt Ihr, Ják«, sagte er nach einer kurzen Pause, in der er versuchte, seine Fassung wiederzugewinnen, »ich kenne Euren Herrn nicht - aber ich bin ziemlich sicher, daß Ihr und er hervorragend zusammenpaßt.«
»Besser, als Ihr ahnt, Delãny. Falls Ihr Mitternacht überlebt, treffen wir uns im >Einäugigen Bären<. Dann habt Ihr Zeit genug, mich nach Herzenslust zu

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