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Hohlbein Wolfgang - Die Chronik der Unsterblichen 1

Hohlbein Wolfgang - Die Chronik der Unsterblichen 1

Titel: Hohlbein Wolfgang - Die Chronik der Unsterblichen 1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Am Abgrund
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Wachen patrouillieren in unregelmäßigen Abständen auf dem Wehrgang darunter. Du mußt also achtgeben, daß dich niemand sieht.«
»Und wo werdet ihr sein?« fragte Andrej.
»Mach dir keine Sorgen um uns.« Krusha griff unter sein Gewand und förderte drei Lederbeutel zutage, die größer waren, als Andrej angenommen hatte. Als er danach griff und sie flüchtig untersuchte, stellte er fest, daß sie gut zur Hälfte mit kleinen Korkstücken gefüllt waren.
»Wasser?«
»Wir warten in einem Boot unterhalb der Mauer«, bestätigte Krusha. »Sobald du die Beutel aus dem Fenster geworfen hast, verschwindest du. Wir treffen uns im »Einäugigen Bären«. Sergé und ich werden dort bis Mitternacht auf dich warten.«
Das war in gut drei Stunden - nicht viel Zeit, wenn er bedachte, was vor ihm lag; zugleich konnten drei Stunden aber auch eine Ewigkeit sein. Ihr Vorhaben würde entweder schnell oder gar nicht gelingen.
Er schob die Lederbeutel unter den weiß und orange gestreiften Waffenrock, den Ják ihm vor einer halben Stunde gebracht hatte, und betrachtete das Ergebnis einen Moment lang kritisch; dann schob, drückte und quetschte er so lange, bis sich die Beutel zumindest nicht mehr überdeutlich unter dem groben Stoff abzeichneten. Der ausgestopfte Waffenrock sah trotzdem lächerlich aus - und genauso fühlte er sich auch: lächerlich und vollkommen hilflos. Dieses ganze Unternehmen war Wahnsinn. Seine Verkleidung würde nicht einmal einer flüchtigen Musterung standhalten, geschweige denn einem argwöhnischen Blick.
Andrej mochte vielleicht wie ein Mann der herzoglichen Garde aussehen, aber er wußte weder, wie er sich zu bewegen, noch, wie er sich zu verhalten hatte; und spätestens, wenn er angesprochen wurde, mußte der Schwindel auffliegen. »Geh jetzt«, sagte Krusha. »Ják wartet am Tor auf dich.«
Andrej starrte ihn wortlos an, dann drehte er sich zu Sergé und Frederic herum und reichte dem Jungen schweren Herzens das in die Fetzen seines Gewandes gewickelte Sarazenenschwert.
»Paß gut darauf auf«, sagte er. Allein diese Worte auszusprechen kostete ihn Kraft. Andrej war selbst ein wenig überrascht, wie schwer es ihm fiel, sich von der Waffe zu trennen. Das Sarazenenschwert war viel mehr als ein Schwert für ihn. Seit Michail Nadasdys Tod hatte er die Waffe fast ununterbrochen getragen, und sie war niemals außerhalb seiner Reichweite gewesen. Aber es war unmöglich, sie mit ins Schloß zu nehmen. In seinem Gürtel steckte statt dessen ein plumpes, schlecht gearbeitetes Schwert, wie es zur normalen Bewaffnung der herzoglichen Garde gehörte - Andrejs Meinung nach kaum mehr als ein Stück Altmetall, nicht das Eisen wert, aus dem es geschmiedet war.
»Das werde ich tun«, versprach Frederic feierlich.
»Und wenn ich nicht zurückkomme, dann denk daran, was ich dir über diese Waffe erzählt habe.«
»Wie rührend«, bemerkte Sergé spöttisch. »Mach dir keine Sorgen, Delãny. Sollte dir etwas zustoßen, dann geben wir schon auf deinen Bruder acht. Und auch auf dein Schwert.«
Welchen Sinn hatte es schon, dieses Gespräch fortzusetzen? Andrej ersparte sich jede Antwort, drehte sich auf dem Absatz herum und setzte den lächerlichen, an eine Barbierschüssel erinnernden Helm auf, bevor er mit schnellen Schritten losging.
Er verlangsamte nicht sein Tempo, aber seine Unsicherheit wuchs mit jedem Schritt, den er sich dem Schloß näherte. Er hatte jetzt nicht mehr das Gefühl, einen schrecklichen Fehler zu begehen, er wußte, daß es ein Fehler war. Er war kein Dieb, und doch wurde er nun schon wieder unschuldig in einen Diebstahl verwickelt - als ob der Kirchenraub in Rotthurn sein Leben nicht schon genug in Unordnung gebracht hätte. Einen Moment lang fragte er sich, warum er nicht das Nächstliegende getan und die Antworten, die er haben wollte, einfach aus Ják und den beiden angeblichen Brüdern herausgeprügelt hatte.
Wenig später näherte er sich dem Tor, das zwar weit offen stand, aber von gleich vier Bewaffneten flankiert wurde, denen man schon von weitem ansah, daß sie ihre Aufgabe weit ernster nahmen als der Mann, mit dem er am Stadttor gesprochen hatte. Von Ják war nichts zu sehen.
Andrej senkte den Blick - nicht so sehr, daß es auffiel, aber doch tief genug, daß der größte Teil seines Gesichts unter dem Rand seines breitkrempigen Helmes verborgen war -, beschleunigte seine Schritte ein wenig und ließ die Schultern zugleich leicht nach vorne sinken; so hoffte er, den Eindruck eines Mannes zu

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