Hohle Köpfe
Löwe – beziehungsweise ein frei herumliegender – war erstaunlich genug. Noch verblüffender war, daß er von einem älteren Greif, der alle vier Klauen in die Luft gestreckt hatte und schlief, als Kissen benutzt wurde.
Mumm sah diverse Igel, einen ergrauenden Leoparden und Pelikane in der Mauser. Grünes Wasser plätscherte im Teich; zwei Nilpferde tauchten auf und gähnten noch eindrucksvoller als der Löwe. Kein einziges Geschöpf hockte in einem Käfig, und niemand versuchte, jemand anderen zu fressen.
»Oh, ja, so wirkt es auf die meisten Besucher, die zum erstenmal hierherkommen«, sagte der kleine Alte. Er hatte ein Holzbein. »Wir sind eine glückliche kleine Familie.«
Mumm drehte sich um, und sein Blick fiel auf eine kleine Eule. »Meine Güte!« entfuhr es ihm. »Das ist eine Morpork, nicht wahr?«
Ein fröhliches Lächeln erschien auf dem Gesicht des Alten. »Ah, offenbar kennt Ihr Euch mit Wappen aus«, sagte er und lachte meckernd. »Daphnes Vorfahren kamen den ganzen Weg von den Inseln jenseits der Mitte, jawohl.«
Mumm holte die Dienstmarke der Stadtwache hervor und betrachtete das eingeprägte Wappen.
Der Alte stellte sich auf die Zehenspitzen und sah ihm über die Schulter. »Das ist sie natürlich nicht.« Er meinte die Eule auf dem Henkelkreuz. »Es war ihre Urgroßmutter Olive. Eine Morpork auf einem Henkelkreuz beziehungsweise einem Ankh. Na, fällt Euch was auf? Es ist ein Wortspiel. Ich hätte fast darüber gelacht. Ja, so lustig kann’s hier werden. Um ganz ehrlich zu sein, wir könnten einen Eulenmann für sie gebrauchen. Und auch ein Nilpferdweibchen würden wir nicht zurückweisen. Seine Lordschaft sagt zwar, wir hätten zwei Nilpferde, was auch stimmt. Ich meine aber, daß es für Roderick und Kimbert nicht normal ist. Nicht
natürlich.
Womit ich niemandem zu nahe treten möchte. Äh… wie lautete Euer Name noch gleich?«
»Mumm. Sir Samuel Mumm. Meine Frau hat den Termin vereinbart.«
Wieder das meckernde Lachen. »Ah, das ist meistens der Fall.«
Trotz des Holzbeins lief der Alte recht schnell, als er Mumm an dampfenden Dunghaufen von vielen verschiedenen Spezies vorbei zum Gebäude auf der anderen Seite des Hofes führte.
»Ich schätze, das ist gut für den Garten«, sagte Mumm, um Konversation bemüht.
»Ich hab’s beim Rhabarber ausprobiert«, erwiderte der Alte und öffnete die Tür. »Das Zeug wuchs sechs Meter hoch und ging dann plötzlich in Flammen auf. Achtet darauf, wo Ihr hintretet. Unser kleiner Drache ist krank. Muß sich immer wieder übergeben und hat Durchfall. Oh, zu spät… Na, nicht weiter schlimm. Man kann’s mühelos abkratzen, wenn’s getrocknet ist. Dort entlang.«
Kurz darauf erreichten sie einen Saal, dessen Dunkelheit und Stille einen starken Kontrast zum Licht und Lärm auf dem Hof bildeten. Mumm nahm den trockenen Grabesgeruch von alten Büchern und Kirchtürmen wahr. Als sich seine Augen an das Halbdunkel gewöhnt hatten, bemerkte er Flaggen und Fahnen an den hohen Wänden. Es gab einige Fenster, aber die Spinnweben und toten Fliegen davor ließen nur matte Gräue in den großen Raum hinein.
Der Alte ging und schloß die Tür hinter sich. Durch eins der Fenster beobachtete Mumm, wie er auf den Hof hinkte, um sich dort wieder der Aufgabe zu widmen, mit der er vorher beschäftigt gewesen war.
Er bemühte sich, ein lebendes Wappen zu konstruieren.
Mumm sah einen großen Schild. Kohlköpfe – echte Kohlköpfe – waren daran festgenagelt. Der Alte sagte etwas, das Mumm nicht hörte. Die kleine Eule flatterte los und landete auf einem Henkelkreuz, das am oberen Ende des Schilds befestigt war. Die beiden Nilpferde verließen den Teich und bezogen zu beiden Seiten Aufstellung.
Der Alte baute eine Staffelei vor der Szene auf, stellte eine Leinwand darauf, griff nach Palette und Pinsel. »Hopp-la!« rief er.
Die beiden Nilpferde richteten sich arthritisch auf, während die Eule ihre Flügel ausbreitete.
»Lieber Himmel«, murmelte Mumm. »Und ich dachte immer, Wappen werden einfach so gezeichnet.«
»Einfach so? Einfach so?« sagte eine Stimme hinter ihm. »Wir kämen bald in Schwierigkeiten, wenn wir Wappen ›einfach so‹ zeichnen würden, o ja, in große Schwierigkeiten.«
Mumm drehte sich um. Ein anderer kleiner Mann war hinter ihm erschienen und blinzelte glücklich hinter dicken Brillengläsern. Er trug mehrere Schriftrollen unterm Arm.
»Es tut mir leid, daß ich dich nicht am Tor empfangen konnte, aber derzeit haben wir hier
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