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Hohle Köpfe

Hohle Köpfe

Titel: Hohle Köpfe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Terry Pratchett
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dasch ganze Bier in der
Trommel
bezahlt?«
    »Wenn’s nur um das Bier gegangen wäre, hätten wir mehr als nur drei Cent übrigbehalten«, erwiderte Colon. »Aber irgendwann haben die Leute Krüge mit Gin bestellt.«
    Nobby versuchte, den Nebel deutlicher zu erkennen. »Niemand kann einen ganschen Krug voller Gin trinken, Fred.«
    »Das habe ich dir immer wieder gesagt, aber du wolltest nicht auf mich hören.«
    Nobby schnupperte. »Wir sind in der Nähe des Flusses«, stellte er fest. »Wir sollten versuchen…«
    Jemand –
etwas –
brüllte, und zwar ganz in der Nähe. Ein dumpfes, langezogenes Brüllen, wie von einem Nebelhorn, das in ernsten Schwierigkeiten steckte. Ein solches Brüllen hörte man vielleicht auf einem Viehhof in einer besonders nervösen Nacht. Es hielt eine ganze Weile an, dann hörte es so plötzlich auf, daß die Stille überrascht wirkte.
    »… diesen Ort so schnell wie möglich verlassen«, sagte Nobby. Der Laut hatte auf ihn die gleiche Wirkung wie eine eiskalte Dusche und ein halber Liter pechschwarzer Kaffee.
    Colon drehte sich um, und sein besorgter Blick bohrte sich in die finstere Graue. »Woher kam das?« fragte er.
    »Von… dort drüben, nicht wahr?«
    Im Nebel gab es keine unterschiedlichen Richtungen.
    Colon sprach ganz langsam. »Ich glaube, wir sollten sofort Bericht über das erstatten, was uns gerade zu Ohren gekommen ist.«
    »Einverstanden«, sagte Nobby. »Wohin gehen wir?«
    »Laß uns einfach losrennen, in Ordnung?«
     
    Die großen Ohren des Obergefreiten Abfluß zitterten, als das Brüllen über die Stadt donnerte. Er drehte behutsam den Kopf, um Höhe, Richtung und Entfernung des Lautes festzustellen. Dann prägte er sich alles ein.
     
    Das Brüllen erreichte auch das Wachhaus, gedämpft vom Nebel.
    Es glitt in den offenen Kopf des Golems Dorfl, tanzte darin herum, kroch durch die schmalen Ritzen im Ton, bis am Rande des Wahrnehmungsvermögens kleine Körner gegeneinanderrieben.
    Blinde Augen starrten an die Wand. Niemand vernahm den Schrei, mit dem der leere Schädel antwortete, denn es gab keinen Mund, der ihn ausstoßen konnte, auch kein Ich, das ihn formte. Lautlos hallte er durch die Nacht:
    Ton von meinem Ton, du sollst nicht töten, du sollst nicht sterben.
     
    Samuel Mumm träumte von
Indizien.
    Ihre Präsenz erfüllte ihn mit instinktivem Argwohn – seiner Ansicht nach störten sie nur.
    Darüber hinaus mißtraute er Leuten, die jemand anderen nur kurz ansahen und dann in einem herablassenden Tonfall zu ihrem Begleiter sagten: »Ah, mein Lieber, ich weiß nicht mehr als dies: Er ist ein linkshändiger Steinmetz, der einige Jahre in der Handelsmarine verbrachte und vor kurzer Zeit einen wirtschaftlichen Niedergang erlebte.« Anschließend fügten sie hochnäsige Kommentare über Schwielen, Haltung und den Zustand der Stiefel hinzu – obwohl die
gleiche
Beschreibung auf jemanden zutraf, der zu Hause gemauert und einen neuen Grillplatz gebaut hatte. Die Tätowierungen stammten aus einer Zeit, als er siebzehn und betrunken 14 gewesen war. Vielleicht wurde der Betreffende schon auf feuchtem Pflaster seekrank. Welche Arroganz verbarg sich hinter solch vorschnellen Kategorisierungen! Sie ließen die üppige und chaotische Vielfalt der menschlichen Erfahrung völlig außer acht.
    Ähnliches galt für die konstanteren Hinweise. In der
wirklichen Welt
stammten die Fußabdrücke im Blumenbeet vermutlich vom Fensterputzer. Und der Schrei in der Nacht kam wahrscheinlich aus der Kehle eines Mannes, der das warme Bett verlassen hatte und auf eine ungünstig liegende Haarbürste getreten war.
    Die wirkliche Welt war viel zu wirklich für interessante kleine Hinweise. Sie bot zu viele Dinge an. Man entdeckte die Wahrheit nicht etwa, indem man das Unmögliche ausklammerte; man mußte vielmehr eine Möglichkeit nach der anderen ausschließen. Man ging der Sache auf den Grund, indem man geduldig Fragen stellte und aufmerksam Ausschau hielt. Man lief herum und redete, hoffte dabei, daß irgendwann jemand die Nerven verlor und sich als Täter zu erkennen gab.
    Die Ereignisse des vergangenen Tages drängten sich hinter Mumms Stirn zusammen. Golems, wie traurige Schatten gefangen. Pater Tubelcek winkte ihnen zu, dann explodierte sein Kopf und überschüttete Mumm mit Worten. Herr Hopkinson lag tot in seinem eigenen Ofen, eine Scheibe Zwergenbrot im Mund. Stumm marschierten die Golems. Dorfl zog das eine Bein nach, sein Schädel war geöffnet: Worte flogen hinein und heraus

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