Hokus Pokus Zuckerkuss
fast verzehnfacht.
Wegen dieser Jill Higgins, die im Vorjahr geheiratet hat. Erinnerst du dich? Nun schicken alle vornehmen Brautmütter ihre Töchter in den Laden, aus dem Jills fantastisches Kleid stammt … Was stimmt denn nicht mit dir? Hörst du nicht mehr zu? Haben sie vergessen, deine Ohren sauber zu machen, als deine Arterien gereinigt wurden?«
Seine Schultern hängen nach vorn. Seit der Operation hat er so stark abgenommen, dass er mir völlig verändert vorkommt.
Beinahe gleicht er seinen schlanken Söhnen, die beide um die zwanzig sind. Abgesehen von seinem grauen Haar. »Ich verstehe überhaupt nichts mehr«, klagt er. »Zeigen Sie mir mal das Buch, Lizzie.«
Ich nehme den ehrwürdigen Terminkalender von Tiffanys Schreibtisch. Obwohl sie verlangt hat, dass wir zu einem Computersystem übergehen, um die Termine zu notieren, sind wir bei Monsieur Henris altem Buch geblieben.
Darüber bin ich jetzt froh, denn ich kann es ihm überreichen, wobei ich fast einen Hofknicks vollführe. »Hier, Monsieur Henri, alles für Sie bereit …«
Er grunzt und blättert in den eng beschrifteten – und mehrfach mit Radiergummi bearbeiteten – Seiten. Währenddessen deutet seine Frau mit dem Kopf auf den Vorhang, der den vorderen Teil des Ladens immer noch vom Hinterzimmer trennt (allerdings ist er nicht mehr aus schwarzem Samt, sondern aus schönem lachsrosa Brokat). Ich folge ihr durch die Tür.
» Hola, Lizzie«, grüßen die beiden Schneiderinnen,
die den Organzarock eines trägerlosen Spitzenkleids im A-Linienstil mit Perlen besticken. Sie sitzen in Clubsesseln und schauen sich eine Telenovela auf dem Fernsehgerät an, das ich für sie gekauft habe.
»Hi, Marisol, hi, Sylvia. Erinnern Sie sich an Madame Henri?«
Grinsend winken sie meiner Chefin zu, und sie winkt zurück. »Also, mit den beiden läuft es gut«, sagt sie auf Französisch.
»Die schnellsten Nadeln von Manhattan«, erkläre ich in derselben Sprache. »Auf Sharis Referenzen kann ich mich stets verlassen. In ihrem Frauenhaus finden sich sehr oft tüchtige Näherinnen.«
»Wenn sie vor der Wahl stehen, ob sie zu ihren brutalen Ehemännern zurückkehren oder für Sie arbeiten sollen, sind sie zweifellos hochmotivierte Angestellte. Aber ich verstehe nicht, warum Sie ihnen von der Gewerkschaft erzählt haben. Sicher hätten Sie die beiden billiger kriegen können.«
Ich werfe ihr einen missbilligenden Blick zu. » Madame …«
Darauf reagiert sie mit einem unschuldigen Achselzucken. »Ich meine ja nur …«
Ein paar Sekunden später gesellt sich Tiffany unaufgefordert zu uns. »Verdammt, was für ein Problem hat er eigentlich? Er guckt sich das Buch an – mein Buch – und stöhnt.«
»Nun, er leidet an postoperativen Depressionen«, antwortet Madame Henri auf Englisch. »Tut mir so leid, ich hätte Sie vorher warnen müssen. Zum Glück ist es ein leichter Fall. Meistens ärgert er sich
nur, weil er nicht so viel Käse essen darf, wie er will, oder weil er die gewohnten Dinge nicht problemlos erledigen kann. Ich dachte, wenn er den Laden wiedersieht, würde ihn das aufheitern. Offenbar war das ein Irrtum. In unserer Abwesenheit haben Sie so wundervolle Arbeit geleistet, Lizzie, wirklich. Bitte fassen Sie Jeans Kritik nicht falsch auf.«
Ich schüttle den Kopf. »Selbstverständlich nicht.«
»So schön sieht der Laden jetzt aus. Vor allem die frischen Blumen …«
»Oh, wir konnten einen Deal mit dem Blumengeschäft in unserer Straße aushandeln«, sage ich und streiche eine Haarsträhne hinter mein Ohr. »Ich empfehle es den Bräuten, die sich noch nicht für einen Floristen entschieden haben. Als Gegenleistung liefert uns der Besitzer jede Woche ein Arrangement.«
»Brillant. Hoffentlich bekommen Sie bei Ihrer eigenen Hochzeit einen Rabatt. Aber ich nehme an, Sie heiraten Ihren Luke in Frankreich …«
Tiffany beginnt zu lachen. Dann sieht sie meine hochgezogenen Brauen und hüstelt diskret.
»O nein!« Besorgt mustert Madame Henri mein Gesicht. »Doch kein Ärger im Paradies?«
»Natürlich nicht«, erwidere ich entrüstet. »Luke und ich verstehen uns ausgezeichnet. Aber wir haben so viel zu tun, er mit seinem Studium, und ich hier im Laden. Deshalb sind wir noch gar nicht dazu gekommen, die Hochzeit zu planen.«
»Jetzt fängt sie damit an«, verkündet Tiffany energisch. »Weil sie mit Marisols und Sylvias Hilfe die
Kleider für die unzähligen Juni-Hochzeiten fast fertig hat. Nicht wahr, Lizzie?«
»Äh – ja«, murmle ich und
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