Hokus Pokus Zuckerkuss
bist!«
»Mademoiselle Elizabeth …« Höflich verneigt er sich vor mir. Aber mit seinen Gedanken ist er sichtlich ganz woanders – wahrscheinlich daheim in New Jersey, in seinem Garten, wo er so gern Pétanque spielt. »Bedenken Sie – das Leben ist kurz. Jeder Augenblick ist kostbar. Genießen Sie jede Sekunde. Verschwenden Sie Ihre Zeit nicht, indem Sie irgendetwas tun, das Ihnen missfällt. Wenn es Ihr Traum ist, alte Hochzeitskleider aufzuarbeiten – oder neue zu entwerfen –, erfüllen Sie sich diesen Wunsch. So wie ich meinen Traum verwirkliche, Pétanque zu spielen, wann immer es möglich ist.«
»Jean!«, kreischt Madame Henri. »Ich habe dich gewarnt! Fang nicht wieder damit an!«
»Fang du nicht mit deinem Genörgel an!«, donnert ihr Mann zurück. »Auf Wiedersehen, Mademoiselle Elizabeth.«
»Äh – auf Wiedersehen.«
Verstört schaue ich dem streitenden Ehepaar nach, das den Laden verlässt. Hinter dem Rücken ihres Mannes bedeutet mir Madame Henri, sie würde mich später anrufen.
Sobald die bimmelnde Ladenglocke verstummt
ist, legt Tiffany den Hörer auf und stöhnt: »O mein Gott, ich dachte schon, er würde niemals verschwinden.«
»Tiffany!«, mahne ich. Aber um die Wahrheit zu sagen, ich teile ihre Gefühle.
»Im Ernst – was bildet er sich denn ein? Monatelang hast du dich für ihn abgerackert. Und wofür? Ich weiß, wie viel du verdienst, Lizzie. Erinnerst du dich? Du wirst hier richtig ausgebeutet. Du solltest sofort kündigen und deine eigene Boutique eröffnen.«
»Mit welchem Startkapital?« Ich greife in den Minikühlschrank – raffiniert als hölzerne Kommode unter der Kaffeebar getarnt – und nehme eine Cola light heraus. »Außerdem verdanke ich den Henris sehr viel. Und der arme Mann fühlt sich noch immer nicht allzu gut. Du hast ja gehört, was seine Frau gesagt hat.«
»Also, wenn er wieder hier arbeitet, kündige ich. Ich meine es ernst. Auf keinen Fall bleibe ich hier, wenn dieser alte Knacker seine Nase in unsere Geschäfte steckt.«
»Dieser Laden heißt Chez Henri, und er ist der Besitzer. Vergiss das nicht.«
»Das ist mir egal.« Tiffany verschränkt die Arme vor der Brust. »Mit seinem blöden Getue ruiniert er das ganze Ambiente, das wir geschaffen haben.«
Wenn ich es auch nicht laut ausspreche – ich gebe ihr recht. Immerhin ist das ein Geschäft für Brautmoden. Und was macht Monsieur Henri? Der dreht wegen einer lachsfarbenen Markise durch. Außerdem
haben Madame Henri und ich dieser Markise sehr viel Zeit und Geld geopfert. Und sie sieht fabelhaft aus, eine Mischung aus dem Stil von Lulu Guinness, der berühmten britischen Mode- und Handtaschendesignerin, und einer Fauchon-Chocolaterie. Da ich gerade an Schokolade denke … Mmmm!
Wie üblich weigert sich Tiffany, ein Thema fallen zu lassen, das mich nervt. »Ich habe recht. Das weißt du. Und was soll dieses Theater mit Pétanque ? Was ist das überhaupt?«
»Ein Boule-Spiel. Dazu braucht man eine Sandbahn und eine kleine Metallkugel …«
»Ist das alles?«, fragt sie verächtlich. »Und was hat Monsieur Henri vor? Will er hier drin eine Pétanque -Bahn einbauen?«
»Nein, sicher nicht.«
»Was willst du unternehmen, Lizzie? Alles, wofür wir so hart gearbeitet haben, wird er zerstören. Alles!«
Auch dazu neigt sie – gewisse Dinge viel zu sehr zu dramatisieren. Monsieur Henri wird wohl kaum alles zerstören.
Davon bin ich fest überzeugt.
Glücklicherweise läutet mein Handy und erspart mir eine weitere Diskussion über dieses Thema – zumindest mit Tiffany. Im Display sehe ich Lukes Nummer. Erfreut melde ich mich. Mit ihm läuft alles bestens – abgesehen von der Tatsache, dass wir noch kein Hochzeitsdatum festgelegt haben. Oder den Schauplatz des Events. Genaugenommen haben wir nur selten darüber geredet. Eigentlich gar nicht.
Wir wohnen nach wie vor in getrennten Apartments. Und das klappt großartig. Jeder hat seinen Freiraum, wir fallen einander nicht auf die Nerven, und wir wissen die Zeit zu schätzen, die wir gemeinsam verbringen. Deshalb könnte der Sex gar nicht besser sein.
Okay, vielleicht weiß er noch immer nichts von meiner Spanx-Wäsche.
Und ich weigere mich standhaft, beim Sex auf ihm zu liegen. Oder ihm meine Kehrseite zu zeigen, wenn ich nackt bin.
Und klar, jedes Mal, wenn er die Nacht in seinem eigenen Apartment verbringen will – allein –, damit er für ein Examen lernen kann, glaube ich, er schläft mit einer Kommilitonin. Und – ja, wann immer er
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