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Hokus Pokus Zuckerkuss

Hokus Pokus Zuckerkuss

Titel: Hokus Pokus Zuckerkuss Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: M Cabot
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Gran. So klein und zerbrechlich sieht sie aus, ganz anders als zu ihren Lebzeiten. Entsetzt starre ich sie an.
    »Siehst du?«, fragt Mom in tröstlichem Ton und zieht mich noch näher zum Sarg. »Alles in Ordnung. Die haben unglaublich gute Arbeit geleistet. Nun entsteht der Eindruck, sie würde schlafen.«
    Aber so sieht Gran nicht aus. Eher wie eine Wachspuppe.
    Von wem auch immer ihr Gesicht zurechtgemacht wurde, man hat zu viel Rouge verwendet. Außerdem trägt sie ein blaues Kleid mit einem zu hoch geschlossenen Spitzenkragen. So etwas hätte sie nie im Leben angezogen. Und man hat ihre Hände über einem Rosenkranz gefaltet.
    Sicher hätte eine Dose Budweiser besser zu ihr gepasst.
    »Wenn du willst, kannst du ihr einen Abschiedskuss geben«, schlägt Mom mit sanfter Stimme vor.
    Obwohl ich niemanden beleidigen will – um die Wahrheit zu gestehen, ich würde lieber DJ Tippycat küssen. »Nein, das ist nicht nötig.«
    »Also – Maggie hat sie geküsst«, betont Mom.
    Ich schaue mich nach meiner Nichte um und erwarte sie zusammengekauert in einer Ecke zu entdecken, wo sie sich hin und her wiegt und flüstert, bald würde alles wieder gut sein. Stattdessen steht sie beim Kirchentor, füllt eine Snapple-Flasche mit Weihwasser und erklärt ihren Cousins, so was würde sie täglich trinken.

    »Wirklich, es ist okay«, versichere ich meiner Mutter.
    Was meine sechsjährige Nichte vorhin getan hat und ob das meine Gran ist, interessiert mich nicht. Auf keinen Fall werde ich eine Leiche küssen.
    »Nun …«, murmelt Mom, als einer der Kirchendiener zu uns kommt – offensichtlich, um den Sarg zu schließen, und zweifellos verärgert, weil er so lange warten musste. »Jetzt ist es ohnehin zu spät.«
    In gewisser Weise ist es das nicht, und ich bin rechtzeitig hier angekommen. (Die halbe Stunde, in der Chaz in der Stadt herumfuhr und mehrmals erklärte, wir würden die Kirche erst betreten, wenn der Sarg geschlossen sei, war überflüssig.)
    Denn der Anblick meiner Großmutter – dieser leeren Hülle, dieser Wachsfigur – hat mir zu einer wichtigen Erkenntnis verholfen. Grans Persönlichkeit ist tatsächlich und endgültig von uns gegangen.
    Und als der Kirchendiener den Sarg schließt, bin ich plötzlich nicht mehr traurig. Zumindest nicht mehr so sehr. Weil es nicht meine Gran ist, die in diesem Sarg liegt. Wo sie sich befindet, weiß ich nicht.
    Jedenfalls nicht hier, und das erleichtert mich maßlos. Wo immer sie sein mag, sie ist endlich frei. Ich wünschte, das könnte ich auch von mir sagen.
    »Gehen wir.« Mom greift nach Dads Arm und zieht ihn von der Wand weg, an der die Mitteilungsblätter der Kirche hängen. Die hat er die ganze Zeit eifrig studiert. (Schon immer war er solchen Zetteln rettungslos verfallen.) »Mädchen!« Sie schnippt mit den Fingern, um die Aufmerksamkeit meiner
Schwestern zu erregen, die ihre Sprösslinge zusammentrommeln.
    Und wie durch Zauber erscheint Father Jim mit ein paar Ministranten, die Kerzen in den Händen halten. Wir folgen dem Sarg, der zu seinem Ehrenplatz vor der versammelten Gemeinde gerollt wird. Von diesen Leuten kenne ich fast niemanden – eigentlich nur Shari, die mich anschaut, während Chaz mich durch den Mittelgang der Kirche führt. Da steht sie neben ihren Eltern. Bei ihrem Anblick erinnere ich mich schuldbewusst an mein Handy, das den ganzen Tag ärgerlich in meiner Jeanstasche vibriert hat – zweifellos voller Nachrichten von meiner Freundin, die mir ihre Ankunft in Ann Arbor mitteilen wollte. Kein einziges Mal habe ich mich gemeldet.
    Okay, jetzt weiß ich’s. Und sie weiß, dass ich’s weiß.
    Etwas anderes weiß sie auch, falls ich ihre Miene richtig deute. Sicher sieht sie die roten Flecken in meinem Gesicht und errät, von wem die stammen. Von ihrem Ex, den ich geküsst und mit dem ich noch viel mehr gemacht habe …
    Also wirklich, daran kann ich jetzt nicht denken. Verlegen wende ich mich von ihr ab. Meine Wangen brennen. Nicht nur wegen der Bartstoppeln. Ich setze mich mit Chaz und meiner Familie in die erste Kirchenbank. Dann tritt Father Jim vor den Altar. Die Messe beginnt.
    Bald bewahrheitet sich meine Befürchtung: Das ist kein Trauergottesdienst für meine Großmutter, sondern
für eine Frau, die denselben Namen getragen hat wie meine Großmutter.
    Es könnte jede x-beliebige Frau mit diesem Namen sein. Denn Father Jim hat meine Großmutter nicht gekannt. Er wusste nicht, dass sie Tomaten und Senf hasste, TV-Dramen und die australische

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