Hola Chicas!: Auf dem Laufsteg meines Lebens (German Edition)
Getränk abgespeist.
Irgendwann stellte sich heraus, dass der junge Mann der Sohn eines hochrangigen Politikers war – er wurde meine erste Urlaubsliebe. Nach vielen Colas, Kaugummis und Küssen kehrten Manuel und ich neun Tage später an einem Sonntagnachmittag ins Internat zurück, beide ganz verbrannt von der Sonne. Manuel, der sehr hellhäutig ist, hatte Sonnenbrand, und Jorge war schwarz. Wenn ich nicht in die Sonne gehe, habe ich die Farbe von einem Latte macchiato. Jetzt aber war ich so dunkel wie ein dreifacher Espresso. Dabei hatten wir uns entschuldigt, weil wir angeblich krank waren …
Was wir leider nicht wussten: Da das Festival mit dem legendären Oscar D’León ein riesengroßes Ereignis in Kuba war, wurde es auf beiden staatlichen Fernsehkanälen übertragen. Die gesamte Schule inklusive Direktor verfolgte das Festival und den Auftritt von Oscar D’León am Bildschirm – zu diesem Zweck war der Fernsehapparat des Direktors eigens auf den Schulhof gebracht worden. Und alle hatten sie gesehen, wie Manuel und Jorge fröhlich in der ersten Reihe die Hüften schwangen! Kein Wunder also, dass der Direktor sofort aus seinem Büro stürzte und uns vor der Tür abfing.
Er war ein kleiner Mann mit einem dicken Schnauzer, der kurzärmelige karierte Hemden und altmodische Hosen mit einem hohen Bund trug, den er, wollte er sich in Szene setzen, immer resolut nach oben zog. Er hatte Manuel und mich sowieso auf dem Kieker, weil wir oft fehlten und dauernd Blödsinn machten. Ich glaube, es ärgerte ihn furchtbar, dass er uns wegen unserer Leistungen nichts anhaben konnte. Denn wir waren nicht bloß sehr gute Schüler, sondern hatten auch viele Wettbewerbe für die Schule in Chemie, Physik, Mathematik und Literatur gewonnen.
»Ihr braucht gar nicht reinzukommen«, wies er uns zurecht. »Geht nach Hause und kommt morgen früh mit euren Eltern wieder.« Punkt.
Was tun? Wir konnten unseren Eltern ja schlecht sagen: »Hey, wir haben grade neun Tage die Schule geschwänzt und waren in Varadero auf dem Festival.« Deshalb gingen wir nicht nach Hause, sondern zu einer meiner Tanten, die in der Nähe des Internats wohnte, um einen Notfallplan auszuhecken. Zum Glück kam mir meine Schwester in den Sinn, die mich schon oft gerettet und mit ihren Einkäufen ja auch unsere Reise finanziert hatte. Sie hatte durch ihre Arbeit in der Papierfabrik sehr gute Beziehungen.
»Du musst kommen und uns helfen«, sagte ich am Telefon und erzählte ihr, was geschehen war.
»Alles klar«, antwortete sie nach kurzem Überlegen. »Geht morgen früh wie mit dem Direktor abgemacht in die Schule. Ich lasse mir in der Zwischenzeit was einfallen.«
Ich habe trotz der Nervosität gut geschlafen in der Nacht, denn ich vertraute voll und ganz auf meine Schwester und war gespannt, was sie sich diesmal einfallen lassen würde.
Am nächsten Morgen wartete der Direktor schon in seinem Büro auf uns, und wir erklärten ihm, dass in ein paar Minuten jemand von unseren Familien käme. Kurz darauf konnten wir durchs Fenster erkennen, wie ein Fahrzeug auf dem Schulhof vorfuhr. Ein weißer Peugeot mit einem grünen Nummernschild. Die kubanischen Autos haben gelbe Nummernschilder mit schwarzer Aufschrift. Grün mit schwarzer Schrift bedeutete, dass es sich um ein Militärfahrzeug handelte. Der Direktor war alarmiert. Hektisch sprang er auf, lief aus seinem Büro in Richtung Eingangstür. Schweißperlen standen auf seiner Stirn, als der Wagen vor der Treppe zum Eingang anhielt. Er zog energisch seinen Hosenbund nach oben.
Als Erstes stieg der Fahrer aus, ein Oberst mit dickem Schnurrbart und in einer Uniform, die mit Orden behängt war. Er ging ganz langsam um den Wagen herum zur Beifahrertür und öffnete sie. Der Direktor, schon ganz rot im Gesicht vor lauter Aufregung, trat nervös von einem Bein aufs andere.
Und was dann kam, war hollywoodreif. Aus dem Inneren des Wagens tauchte ein Fuß auf, der in einem weißen High Heel von Manuels Tante steckte. Dann folgte ganz langsam der zweite weiße High Heel und wurde elegant neben dem ersten platziert. Wir konnten ein Stück von einer weißen Hose sehen und eine Frauenhand, die nach dem Arm des Oberst griff, der seiner Begleiterin aus dem Wagen helfen wollte.
Meine Schwester ließ sich richtig viel Zeit für diesen Auftritt. Sobald sie ausgestiegen war, ging sie in die Knie und holte ihre Handtasche der Marke Tante aus dem Wagen. Sie passte perfekt zu den weißen High Heels, der weißen Hose und der
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