Hola Chicas!: Auf dem Laufsteg meines Lebens (German Edition)
passieren können. Ich glaube, sie wusste, dass ich homosexuell war und ab und zu der Enge des Internats entwischen musste. Aber weil ich ein guter Schüler war, nahm sie alles, was ich so anstellte, mit einem Zwinkerauge ** .
Für unsere Reisen brauchten wir natürlich Geld. Und hier kommen mal wieder meine besten Freunde ins Spiel, die High Heels. Manuels Mutter und seinen Tanten ging es vor der Revolution von 1959 sehr gut, und sie besaßen jede Menge Klamotten, Schmuck, Seidenbettwäsche und Schuhe, Schuhe, Schuhe. Es gab sogar noch Kosmetik aus der Zeit: Puder, Lippenstift, Eyeliner. Als wir all die Schätze in den Schränken und Kisten entdeckten, kam uns eine »Geschäftsidee«: Wir verkauften einzelne Teile – vor allem High Heels – an meine Schwester und ihre Freundinnen, die genauso verrückt wie ich nach Schuhen, Klamotten und Bling-Bling waren.
Und so finanzierten wir unsere Reisen eine Zeit lang mit dem Erlös aus diesen »Verkäufen«. Vor allem meine Schwester war eine dankbare Abnehmerin. Da sie einen verantwortungsvollen Job in einer Papierfabrik hatte und gut verdiente, konnte sie es sich leisten, ab und zu ein paar Teile unserer »Tantenkollektion« zu kaufen. Und meine Schwester war schlimmer als ich. Sie war immer auf dem Catwalk! Und erschien nicht nur zur Silvesterparty in einem neuen Kleid. Nein! Sie hatte vom 29. Dezember bis zum 1. Januar jeden Tag ein neues Outfit an. Deshalb kam ihr unser Business grade recht. Sie liebte es, sich extravagant anzuziehen. Und sie liebte die Farbe Weiß. Irgendetwas an ihrem Styling war immer weiß: die High Heels, die Bluse, das Haarband … Dazu ein komplettes Make-up, lange rote Fingernägel und die Haare immer schön gemacht. Meine Schwester war eine Meisterin darin, sich in Szene zu setzen. Auch heute noch würde sie nie ohne High Heels aus dem Haus gehen. Sie wohnt im Haus neben meinem Vater und könnte ihn mit Hausschuhen besuchen. Aber nein, selbst auf diesem kurzen Weg lässt sie sich von ihren besten Freunden begleiten.
Unser Geschäft lief eine ganze Weile hervorragend, bis meine Schwester einmal topgestylt Manuels Mutter Nelly begegnete. Die schaute sie an und sagte: » Ay , qué lindo , ach, wie hübsch … Als ich jung war, hatte ich genau die gleichen Ohrringe wie du.« Meine Schwester durchschaute die Sache sofort und fragte ganz scheinheilig: »Hast du die Ohrringe noch?« Während seine Mutter in ihr Zimmer ging, um nach dem Schmuck zu suchen, nahmen Manuel und ich ganz schnell die Beine in die Hand, um uns zu verstecken.
»Weißt du was«, meinte meine Schwester, als Manuels Mutter mit leeren Händen zurückkam, »ich glaube, du hast nicht nur die gleichen Ohrringe wie ich, sondern auch die gleichen Schuhe, die gleichen Pullover und die gleichen Blusen. Denn das sind alles deine Sachen, die dein Sohn und mein Bruder verkauft haben.« So kamen die Chicas unserem Business leider auf die Schliche .
Doch zurück zu den Reisen von Jorge und seinem besten Freund: 1983, da war ich fünfzehn Jahre alt, hatten wir mal wieder ein Paar Schuhe und eine Tasche an meine Schwester verkauft und beschlossen, auf das berühmte Festival de Varadero zu fahren. In Varadero, das etwa hundertzwanzig Kilometer östlich von Havanna liegt, sollte der berühmte venezolanische Musiker Oscar D’León auftreten – eine Salsalegende. Jeder auf Kuba wollte damals dorthin. Da das Festival eine ganze Woche dauerte, mussten wir nicht bloß unsere Eltern anschwindeln wegen des Wochenendes, sondern auch die Schule schwänzen.
Gesagt, getan. Wir fuhren per Autostopp nach Varadero, was bis heute in Kuba ganz normal ist, fanden eine billige Unterkunft und gingen sofort aufs Festival. Eine Woche lang haben wir ganz vorn in der ersten Reihe getanzt und getanzt und getanzt. Ihr könnt euch nicht vorstellen, wie ich damals ausgesehen habe: Afromähne, ein Hemd im Stil von Michael Jackson mit ganz vielen Reißverschlüssen, das eine Freundin meiner Schwester genäht hatte. Dazu Jeans und meine heißgeliebten »Popis«. Das waren zwar keine so schicken Sneakers, wie es sie heute gibt, aber ich fand diese halbhohen rot-weißen Turnschuhe damals extrem cool.
Wir hatten eine richtig gute Zeit in Varadero! Und weil wir bei ein paar netten Leuten wohnen konnten, die wir auf dem Festival kennenlernten, sparten wir sogar noch das Geld für die Übernachtung. Jeden Abend gingen wir aufs Festival und danach auf irgendeine Party. Wir tanzten die Nächte durch und erlebten den
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