Hola Chicas!: Auf dem Laufsteg meines Lebens (German Edition)
Kuba.«
Danach sollte ich mit ins Konsulat gehen, um von dort aus meine Eltern anzurufen und ihnen zu sagen, dass ich übermorgen wieder zu Hause sei.
»Wie bitte?«, fragte ich misstrauisch.
»Du hast richtig gehört. Du kommst jetzt mit uns ins Konsulat, und am Samstag geht dein Flug von Prag aus nach Kuba.«
»Aber ich möchte mich von meinen Professoren und Kommilitonen verabschieden«, sagte ich. »Außerdem muss ich noch meine Sachen aus dem Internat holen.«
»Das machst nicht du«, kam als Antwort. »Das wird alles ganz offiziell von unseren Leuten erledigt.«
»Nein! Wisst ihr was, wenn ich so viel Geld verdient habe, wie ihr mir vorwerft, dann kann ich es mir leisten, auf der Post nach Kuba zu telefonieren. Dafür muss ich nicht mit ins Konsulat gehen.« Während ich das sagte, ging ich ganz langsam in Richtung Tür.
»Nein«, befahlen die Leute vom Konsulat. »Du kommst mit uns!«
»Ich gehe nicht mit«, wiederholte ich, öffnete schnell die Tür und war draußen, bevor einer der Sicherheitsmänner nach mir greifen konnte.
Vor der Tür standen über sechzig meiner Freunde, die offenbar seit Stunden auf das Ende des Meetings gewartet hatten. Chicos und Chicas aus der Tschechoslowakei, aus Griechenland, aus Zypern, aus Lateinamerika, aus Marokko …
Kurze Rückblende: Nachdem mich die Spitzel mit meiner Akte und all den Fotos konfrontiert und mir Konsequenzen angedroht hatten, war mir klar, dass man mich nach Kuba zurückschicken würde. Deshalb hatte ich mich in den verbleibenden Wochen bis zu der Versammlung am 8. März darauf vorbereitet, im Ernstfall mit einem Plan B in der Tasche in der Tschechoslowakei zu bleiben. Mišo und seine Eltern halfen mir dabei. Sie versuchten sogar, mich zu adoptieren. Das klappte aber nicht. Dennoch bedeutete ihre Unterstützung in diesem Moment des Unglücks sehr viel für mich. Was für ein Glück, dachte ich, trotz allem noch ein Zuhause zu haben und Menschen, die dich lieben, als wärst du der eigene Sohn. Mišos Vater gelang es schließlich, einen Kontakt zu einem Repräsentanten der neuen Regierung herzustellen. Man sicherte mir politisches Asyl zu, falls ich wirklich nach Kuba zurückgeschickt würde und riet mir, unter keinen Umständen ins kubanische Konsulat zu gehen: »Wenn du erst einmal dort bist oder auch nur in einen Wagen der kubanischen Botschaft steigst, dann können wir wegen der diplomatischen Immunität nichts mehr für dich tun.« Deshalb hatte ich mich organisiert und all meinen Freunden Bescheid gesagt, damit sie mir helfen könnten, falls die Kubaner mich gewaltsam ins Konsulat abführen würden. Zwei meiner kubanischen Freunde hatten sich sogar »verkabelt«, um die Versammlung sicherheitshalber aufzuzeichnen.
Mir fiel ein riesengroßer Stein vom Herzen, als ich all die jungen Leute sah, die im Gang warteten. Man hätte eine Stecknadel fallen hören können. Selten habe ich mich so gefreut, meine Freunde zu sehen. Vor all den Leuten können sie dich nicht einfach abführen, dachte ich erleichtert. Zugleich war ich aufgewühlt, nervös und enttäuscht. Denn gerade hatte ich am eigenen Leib erlebt, wie das politische System Kubas die Menschen beherrschte. Sogar unter den Studenten gab es Fanatiker, die mich mit Hingabe kritisierten.
Bei meinen Freunden angekommen, drehte ich mich zu den Leuten vom Konsulat um und sagte: »Seht ihr, das sind eure Feinde. Aber eure Feinde sind meine Freunde, und die fangen mich jetzt auf.« Und dann nahmen mich meine Freunde, die über sechs Stunden auf mich gewartet hatten, in ihre Mitte, umhüllten mich wie ein Kokon, und so liefen wir ohne ein Wort zu sagen zum Ausgang. Es war fast zwei Uhr nachts, und gerade hatte man Jorge González zum Staatsfeind seines Heimatlands erklärt . Ahora estoy solito , jetzt war ich mutterseelenallein, weit weg von meiner Familie und doch nicht allein. Meine Freunde nahmen mich auf und liebten mich, so wie ich war. Sie halfen mir, gaben mir Schutz, Unterschlupf und eine Heimat in dem Moment, als ich meine eigene verlor.
All die Jahre hatte ich einen Traum verfolgt. Ich hatte in der Grundschule gebüffelt und im Vocacional gekämpft, um nach Europa gehen zu können. Hatte alle möglichen Jobs gemacht, um mich zu finanzieren, und war mir für nichts zu schade gewesen. All die Jahre hatte ich nie meinen Fokus verloren. Und auf einmal sollte alles zu Ende sein? Nein, ich war fest entschlossen, meinen Abschluss zu machen. Ich wollte keine Marionette mehr sein, wollte nicht
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