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Hola Chicas!: Auf dem Laufsteg meines Lebens (German Edition)

Hola Chicas!: Auf dem Laufsteg meines Lebens (German Edition)

Titel: Hola Chicas!: Auf dem Laufsteg meines Lebens (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jorge González
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mit dem Schlüssel am Schloss herum.
    »Halt doch mal still. Ich kann nichts sehen«, sagte sie so leise wie möglich. Sie traf das Schlüsselloch einfach nicht, denn sie ist stark kurzsichtig und hatte in der Aufregung ihre Brille vergessen. Außerdem war Christina so nervös, dass die Hand, in der sie die Taschenlampe hielt, heftig zitterte und das ohnehin schwache Licht unruhig flackerte.
    Irgendwann standen sie endlich im Gemeinschaftsraum und entdeckten einen Zettel an der Tür von Zimmer 513 mit der Aufschrift Traidor contrarevolucionario. Konterrevolutionärer Verräter. Das machte die Situation nicht gerade leichter für die beiden Chicas. Tapfer rückten sie einen Hocker vor meinen Schrank, um an den richtigen der zwei Koffer zu kommen, die ich dort oben deponiert hatte. Dann stellten sie sich zu zweit drauf und holten den Koffer so geräuschlos wie möglich mit vier Händen herunter. Erschöpft und glücklich kamen sie am Bahnhof an, wo ich mit Mišo schon ungeduldig wartete, um endlich nach Žilina aufbrechen zu können. Denn es war höchste Zeit, um den einzigen Zug noch zu erwischen. Als ich den Koffer öffnete und die Dollar herausholen wollte, flogen mir Studienunterlagen, ein Haufen Bücher und eine kubanische Flagge entgegen.
    »O mein Gott«, rief ich aus, »das ist der falsche Koffer. Aaaahhhh. Und das ganze Geld!?!?!?!?!?! Futsch!«
    Maria und Christina guckten mich entsetzt an und schrien: »O Gott, Orgito!«
    Dieser Moment war so skurril, dass wir alle nur lachten konnten. Ich kannte die beiden Chicas gut genug und wusste, wie schlecht sie sich gefühlt und welche Ängste sie ausgestanden haben mussten, nur um mir zu helfen. Der Koffer war richtig schwer und fast so groß wie sie. Ich sah vor meinem geistigen Auge, wie sie ihn vierhändig aus dem Wohnheim schleppten und dabei immer versuchten, ganz vorsichtig und leise zu sein, damit niemand sie bemerkte. Auch wenn sie den falschen Koffer gebracht hatten, waren Christina und Maria meine Heldinnen. Wieder einmal haben mir die Chicas geholfen. Und wer weiß: Vielleicht haben sie ja nur deshalb den richtigen Koffer nicht gebracht, weil sie die falschen Schuhe anhatten?
    Das Fazit nach dieser Nacht: Nicht nur meine gesamte Kleidung war futsch, sondern auch das Geld, das Startkapital für mein neues Leben. Da saß ich auf meinem Popo und musste nicht nur wieder von vorn, sondern auch von ganz unten anfangen. Denn ich besaß nichts mehr als die Kleidung, die ich anhatte, ein paar Bücher und eine kubanische Flagge. Was soll’s? Wie Oma immer sagte: » No hay mal que por bien no venga .«
    Mi tierra – The show must go on
    Nach meiner »Verurteilung« und der nächtlichen Flucht kamen Mišo und ich am Morgen bei seinen Eltern in Žilina an, die mich in dieser schweren Zeit aufnahmen wie einen Sohn. Mišos Mutter ist auch heute noch wie eine Mutter für mich.
    Nach einer unruhigen Nacht, in der ich mehr schlecht als recht geschlafen hatte, fuhren Mišos Vater und ich nach Bratislava zum Regierungsgebäude, um einen Antrag auf politisches Asyl zu stellen.
    Denn ich hing total in der Luft, weil ich keine offizielle Identität mehr hatte. Die Kubaner ignorierten mich und wollten mir meinen Pass nicht mehr geben. Und in der Tschechoslowakei konnte man mir keinen Pass geben, weil ich ja kein tschechoslowakischer Staatsbürger war. Nach meiner »Verurteilung« war ich der Erste in der neuen Republik, der politisches Asyl erhielt.
    Um die bürokratischen Angelegenheiten zu regeln, musste ich immer wieder nach Bratislava. Manchmal blieb ich einige Tage dort und zog von Haus zu Haus, wohnte mal bei diesem Freund, mal bei jenem. Während dieser ganzen Zeit kehrte ich aber auch immer wieder zu Mišos Eltern zurück, die mir immer halfen und Unterschlupf gewährten. Sogar Jahre später, als ich zu Besuch kam, stand meine Zahnbürste noch im Bad meiner slowakischen Familie.
    In den vier Monaten, in denen ich mich verstecken musste, bis die kubanischen Studenten im Juli 1990 in ihre Heimat zurückkehrten, ging ich nie allein auf die Straße. Immer war jemand da, der mich begleitete. Und das war gut so. Dass ich immer noch in Gefahr war, merkte ich eines Abends, als ich mich mit Mišo in Bratislava auf dem Weg zu ihm nach Hause befand. Er wohnte mitten in der Stadt, in der Nähe des kubanischen Konsulats. Nicht mehr weit weg von seiner Wohnung bemerkten wir plötzlich drei Männer, die uns verfolgten, zwei Weiße und einen Dunkelhäutigen.
    »Da stimmt was nicht«,

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