Hola Chicas!: Auf dem Laufsteg meines Lebens (German Edition)
»Sag ihnen, dass sie ein anderes Paar nehmen müssen. Wir gehen. Tschüss.« Ich stand auf und zog Ina hinter mir her.
» Why? Bleibt da!«, schrie einer der Agenturleute und rannte uns hinterher.
Da sagte ich auf Englisch zu ihm: »Entweder ihr bezahlt uns besser, oder wir machen den Job nicht.«
»Ich dachte, du sprichst kein Englisch«, sagte er verdutzt.
»Doch, tue ich«, antwortete ich, »und ich weiß genau, wie ein Model für so einen Werbespot im Fernsehen bezahlt wird.«
Wir bekamen mehr, und die DJane hob das Geld vorsichtshalber bei sich zu Hause auf, weil es im Internat einfach zu gefährlich war, die »feindlichen« Devisen zu verstecken.
Cappy war als Sommergetränk positioniert, und der Spot sollte ab Frühjahr/Sommer 1990 im tschechoslowakischen Fernsehen ausgestrahlt werden. Super, dachte ich, mein Plan geht auf. Wenn meine Kommilitonen im Juni nach Kuba zurückmussten, würde ich hierbleiben und von dem Geld, das ich mit dem Lambada verdiente, mein Studium finanzieren. Ich versuchte, Ina ebenfalls zum Bleiben zu überreden, doch sie wollte, wenn es wirklich so weit käme, nach Kuba zurück.
Dann kamen die Weihnachtsfeiertage, etwas ganz Neues für mich. Denn in Kuba war Religion damals verboten, weshalb wir Weihnachten nicht feiern konnten. Meine Oma litt sehr darunter, weil sie katholisch erzogen worden war. In der Tschechoslowakei verbrachte ich das Fest immer in der Familie meines Freundes Mišo in Žilina, das etwa dreihundert Kilometer von Bratislava entfernt liegt – und bisher hatte ich auch immer die Erlaubnis von unseren Betreuern erhalten. Doch Weihnachten 1989 war alles anders, weil unsere Freunde ja auf einmal kapitalistische Feinde waren. Also fragte ich erst gar nicht, sondern fuhr ohne Genehmigung los. Wir hatten ein paar Tage frei in der Uni, und ich bin einfach weg.
In Žilina waren wir quasi abgeschnitten vom Rest der Welt. Wir haben gegessen, gefeiert, alte Videos geschaut, sind im Schnee spazieren gegangen. Keine Zeitung. Kein Fernsehen. Kein Radio. Nichts. Fernab von allem verbrachte ich eine wunderschöne Zeit mit Mišos Familie.
Als ich nach den Feiertagen ins Internat zurückkam, begrüßten mich meine kubanischen Kommilitonen mit seltsamen Blicken. Einer sagte: » Hey, chico , da bist du ja wieder. Wir haben dich tanzen sehen.« Und ein anderer: »Hey, du warst im Fernsehen.«
Ich ahnte Fürchterliches, rannte sofort zu meiner Freundin Ina ins Zimmer und schrie: »Ina, was haben die gesehen?«
»Ay, mi negro , que barbaridad ! Wie schrecklich!«, sagte sie und schaltete den kleinen Fernseher an, der in ihrem Zimmer stand. »Kuck selber, das zeigen sie seit ein paar Tagen ungefähr im Halbstundentakt: Jorge und Ina.« Und tatsächlich, da waren sie beide und tanzten Lambada. Ina konnte man wegen ihres Stylings zum Glück nicht so gut erkennen. Aber Jorge, der tänzelte gut sichtbar und präsent mitten über den Bildschirm – und zeigte übers ganze Gesicht grinsend seine Zähne. Erwischt! Die Beweislast sprach gegen mich, denn die Kameras waren Zeuge. Zum zweiten Mal in meinem Leben konnte man mich im ganzen Land verbotenerweise im Fernsehen tanzen sehen.
Leider hatten auch die Leute von der kubanischen Botschaft diesen Spot gesehen. Als die Weihnachtsferien Anfang des neuen Jahres vorbei waren, hielten die Studenten der jungen kommunistischen Union sofort eine Versammlung wegen meines »Falls« ab. Die hatten mich sowieso schon auf dem Kieker, weil ich, obwohl sie mich immer wieder fragten, nicht Mitglied bei ihnen werden wollte. Ich hatte das immer abgelehnt mit den Worten: »Ich bin noch nicht gut genug, um zu euch zu gehören.« Doch man kam zu keinem Ergebnis, weil das kubanische Konsulat gerade zu beschäftigt war mit dem Zerfall der Ostblockstaaten, denn der Wegfall der Unterstützung durch die sozialistischen Staaten bedeutete für Kuba einen riesigen Verlust. »Dein Fall wird von den Verantwortlichen überprüft«, sagte man mir, »und danach werden wir eine Versammlung einberufen, um über die Konsequenzen zu sprechen.«
Ich war jetzt ein Abtrünniger der Revolution, denn ich hatte gearbeitet, was den kubanischen Studenten verboten war, und dann auch noch für den kapitalistischen Feind, für die »rote Dose«. Es war mir klar, dass die Strafe heftig ausfallen würde.
Ende Februar suchten mich die Leute von der kommunistischen Partei und vom Konsulat in meinem Zimmer auf. Sie hatten eine dicke Akte dabei, die stapelweise Fotos enthielt. Diese Fotos
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