Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Hola Chicas!: Auf dem Laufsteg meines Lebens (German Edition)

Hola Chicas!: Auf dem Laufsteg meines Lebens (German Edition)

Titel: Hola Chicas!: Auf dem Laufsteg meines Lebens (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jorge González
Vom Netzwerk:
an, die Welt zu erkunden.
    Im Frühling 1991, als nach wochenlangem Warten endlich mein Einreisevisum fertig war, das ich als Kubaner brauchte, holte mich Christina, die noch immer am Konservatorium in Bratislava studierte, ab, um mir – wie schon lange versprochen – ihr Heimatland zu zeigen. Ihre Eltern wohnten in Assisi, in der Nähe von Perugia. Bis dahin kannte ich Italien und die italienische Mentalität nur aus alten Mafiafilmen, die ich sonntagnachmittags oft mit den Chicas meiner Familie angeschaut hatte. Deshalb war ich total verschreckt, als Christina sagte, ich solle bloß auf meine Tasche achten. In Italien werde viel geklaut, warnte sie mich und machte mir schon vor der Abreise ständig Angst: »Pass auf, Orgito«, ihr Kosename für mich, »sonst klauen sie dir alles, was du hast.«
    Also saß ich die ganze Fahrt über wachsam im Zug, meine Reisetasche sicher zwischen die Beine geklemmt und das Handgepäck fest an die Brust gedrückt. Christina lachte sich kaputt, als sie kurz vor der Ankunft in Perugia Entwarnung gab – sie habe mir bloß einen Schreck einjagen wollen. Haha, sehr lustig … Zu dem Zeitpunkt wussten wir beide nicht, dass ich eines Tages noch einmal Gelegenheit für eine Revanche bekommen sollte.
    Zum ersten Mal in meinem Leben reiste ich offiziell in ein kapitalistisches Land. Deshalb war ich, ehrlich gesagt, auch ohne Christinas Horrorszenarien der festen Überzeugung, dass hinter jeder Ecke Gefahren lauerten. Schon in der italienischen Botschaft, wo ich das Visum beantragte, war ich total nervös gewesen. Da warteten Hunderte von Leuten, denn zu jener Zeit wollte jeder in der Tschechoslowakei die Welt entdecken. Warten kannte ich noch sehr gut aus meiner Kindheit und Jugend in Kuba. Du stehst in einer langen Schlange und weißt nicht, was gleich passiert. Dieses Gefühl, ein Nichts zu sein, stieg wieder in mir hoch, aber trotzdem blieb ich geduldig stehen und bekam schließlich mein Eintrittsticket für Italien.
    Christinas Eltern nahmen mich wie ein Familienmitglied auf. »Du hast ihre Gene nicht geerbt«, sagte ich zu meiner grade mal einen Meter zweiundsechzig großen Freundin, als sie mich ihrer Mutter vorstellte. Diese war wie ihre Tochter sehr elegant, aber bestimmt fünfzehn Zentimeter größer und trug dazu noch High Heels. Eine tolle Chica. Sie kochte den ganzen Tag für uns. La mamma – sie erinnerte mich so sehr an meine eigene Mutter und weckte die unterdrückte Sehnsucht nach meiner Familie in mir. Sie war so herzlich, lachte viel, kümmerte sich andauernd um ihre Kinder und liebte es, uns alle zu verwöhnen. Mittags und abends kochte sie für uns die leckersten italienischen Spezialitäten. Es gab unterschiedlichste Variationen von Pasta, diverse Fleischgerichte, immer frisches Gemüse und Salat und nach dem Essen ein dolce , ein Dessert, und einen Espresso.
    »Warte mal, bis du zu mir nach Hause kommst, dann lass ich dich eine richtige Pizza probieren«, hatte Christina oft gesagt, wenn wir in Bratislava beim Italiener waren. Und sie hatte recht. Ich schaute zu, wie ihre Mutter den Hefeteig ansetzte, ein paar Stunden später den Teig ausrollte und in einem kleinen Holzofen backte. Als wir schließlich alle am Tisch saßen, sagte Christina: »Orgito, so schmeckt eine richtige Pizza!« Nachmittags gab sie oft für ihre Familie Konzerte auf ihrem Steinway-Flügel.
    Auch wenn sich meine Angst vor den »bösen« Italienern langsam legte, waren die Streiche, die mir Christina auf dieser Reise spielte, noch nicht zu Ende. Sie wusste, dass ich als etwa Siebenjähriger einen Unfall hatte. Meine neun Jahre ältere Schwester wollte damals immer Motorradfahren lernen und lieh sich von einem Nachbarn so ein altes russisches Ding mit Beiwagen. Da sie aber nicht allein üben wollte, musste ich mit. Leider saß ich nicht im Beiwagen, sondern direkt hinter ihr. In einer Kurve fiel ich vom Motorrad. Von diesem Sturz habe ich heute eine kleine Narbe am Bein.
    Als Christinas jüngerer Bruder zu Besuch kam und anbot, mir Assisi zu zeigen, rief ich begeistert: »Na klar, ich komm mit!«, sprang auf und lief vor die Tür. Und da stand – eine Vespa. Der Bruder drückte mir einen Helm in die Hand und sagte: »Los geht’s!« Einmal ganz abgesehen davon, dass ich mir fast in die Hosen machte vor Angst, hasse ich es, einen Helm zu tragen wegen meiner Haare. Aus dem Augenwinkel sah ich, wie Christina sich vor Lachen fast nicht mehr halten konnte, und dachte: Dir zeig ich’s.
    Ich sagte

Weitere Kostenlose Bücher