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Hola Chicas!: Auf dem Laufsteg meines Lebens (German Edition)

Hola Chicas!: Auf dem Laufsteg meines Lebens (German Edition)

Titel: Hola Chicas!: Auf dem Laufsteg meines Lebens (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jorge González
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dir selbst was daran liegt und du wirklich möchtest, dass sich die Menschen für dich interessieren. Einfach zu sagen: »Mag mich«, das funktioniert nicht. Ich kenne tolle, humorvolle Menschen in Deutschland, aber manche brauchen ein bisschen länger als ich, bis sie ihre Herzlichkeit zeigen können.
    Die Deutschen sind nicht grundsätzlich humorlos, wie ich es so oft gehört habe. Ihr Humor ist bloß anders oder zeigt sich nicht so schnell. Das Gleiche gilt fürs Tanzen: Deutsche können sich gut bewegen, sie wachsen damit vielleicht nur nicht so selbstverständlich auf wie wir Kubaner und müssen deshalb ein bisschen mehr trainieren.
    Als ich nach Deutschland kam, hatte ich das Bild des attraktiven deutschen Mannes im Kopf: groß, blond, breitschultrig, stark, aber auch sparsam mit Worten und unbeweglich. Das war mein Klischee: Jemand, der sich nicht geschmeidig bewegt und mit tiefer Stimme kurz angebundene Statements abgibt wie: »Hallo.« »Wie geht’s?« »Hopp!« Und im Vergleich dazu ich, der singende und laut lachende Mulatte … Was passiert wohl, fragte ich mich, wenn ich diese zwei Typen nehme und daraus einen Cocktail mixe? Was für eine Mischung mag da herauskommen? Das wollte ich herausfinden, als ich mich für Deutschland entschied. Ich wollte meinen perfekten deutsch-kubanischen Cocktail mixen, der die guten Eigenschaften beider Mentalitäten miteinander verbindet.

    **** Ich meinte natürlich: aus dem Häuschen



Vielleicht steckten einige der deutschen Eigenschaften ja schon in mir. Ich weiß es nicht. Aber bevor ich nach Deutschland kam, war ich auf jeden Fall viel mehr Kubaner, lauter und lässiger – nach dem Motto: » Ah, mañana …« Was heute nicht geht, verschieben wir auf mañana . Morgen ist schließlich auch noch ein Tag. Verabredest du dich in Kuba um fünf Uhr, kommen die Leute schon mal um sechs oder um sieben. Sie meinen das nicht böse, und es geschieht nicht absichtlich. Meistens gibt es sogar einen Grund, warum jemand zu spät kommt: der Bus, die Tante, die überraschend zu Besuch kommt, was auch immer. Niemand regt sich darüber auf. Das ist okay für uns.
    Die Menschen in Deutschland haben mir beigebracht: Es geht nicht nur um dich. Willst du deine Mitmenschen respektieren, dann musst du deinen Job gut und korrekt machen. In Deutschland habe ich gelernt, rechtzeitig anzurufen, wenn ich nicht pünktlich kommen kann. Weil ich selbst nicht warten will, muss ich mich anderen gegenüber entsprechend verhalten. Heute weiß ich: Zeit ist kostbar. Wenn du dich mit jemandem zu einer bestimmten Uhrzeit verabredest, solltest du da sein oder Bescheid geben, dass du später kommst.
    Die Deutschen fragen sich wahrscheinlich auch, warum Kubaner oft (nach-)lässig oder unpünktlich sind. Wir leben draußen in der Sonne, manchmal ist es einfach zu heiß zum Arbeiten. Wir sind auch nicht so gut organisiert wie die Deutschen. Wenn etwas nicht klappt, dann sagen wir eben: » mañana« . Das heißt soviel wie: »O. K., nicht ärgern, morgen ist auch noch ein Tag.« Und es ist schön, dass es mañana gibt, dass wir morgen noch da sein werden. Oder? Schlimm wird es erst, wenn es kein mañana mehr gibt.
    Für mich war dieser Prozess des Verstehens sehr wichtig. Er ist Teil meines deutschen Traums, in dem es nicht nur um Erfolg, sondern auch um Entwicklung geht. Denn was bringt es, in einem fremden Land alles zu kritisieren oder nur das Schlechte zu sehen – ohne zu analysieren, warum die Menschen dort so sind?
    Meine Eltern haben mir die Liebe und den Respekt für die Menschen beigebracht, aber die Akzeptanz der Gesellschaft für mein eigentliches Ich, das habe ich erst in Deutschland richtig gespürt. Ich habe in Deutschland viele Chancen bekommen und meine Persönlichkeit entfaltet, weil ich hier frei bin. Ich kann als Homosexueller leben, ohne diskriminiert zu werden, und darf so sein, wie ich bin. Und inzwischen denke ich, durch meine Adern fließt kein Blut mehr, sondern dieser ganz besondere »deutsch-kubanische Cocktail«.

5. – MEIN DEUTSCHER TRAUM

Silbertage
    Eine gute Freundin, die ich in Deutschland kennenlernte, schwärmte mir immer wieder von Hamburg vor: »Jorge, du musst da unbedingt mal hin, das ist eine wunderschöne Stadt.« Also fuhren wir 1994 – damals wohnte ich schon in Frankfurt – zusammen nach Hamburg und machten dort ein paar Tage Urlaub. Und was soll ich sagen, meine Freundin hatte recht! Ich verliebte mich sofort in Hamburg und mochte einfach alles an dieser

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