Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Hola Chicas!: Auf dem Laufsteg meines Lebens (German Edition)

Hola Chicas!: Auf dem Laufsteg meines Lebens (German Edition)

Titel: Hola Chicas!: Auf dem Laufsteg meines Lebens (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jorge González
Vom Netzwerk:
alles anzuschauen.
    Und so kam ich Ende 1991 zum ersten Mal in meinem Leben nach Deutschland. Am Frankfurter Flughafen dachte ich noch: Toll, das ist ja alles riesengroß. Doch als wir in Offenbach ankamen, war ich entsetzt, weil ich keinen solchen Unterschied zu Prag erwartet hatte, wo fast jedes Haus eine uralte Geschichte erzählt. Peter und seine Frau zeigten mir bei meinem Besuch auch Wiesbaden und Frankfurt, zwei Städte, die mir sofort richtig gut gefielen.
    Obwohl ich mit meinem Leben in Prag eigentlich ganz zufrieden war, habe ich mir damals ernsthaft überlegt, nach Deutschland zu ziehen. Aber der Gedanke, schon wieder von vorn anzufangen, schreckte mich total ab. Ich war einfach noch nicht bereit für einen weiteren Neuanfang. Obwohl ich wusste, dass irgendwann der richtige Zeitpunkt kommen würde, um einen neuen Lebensabschnitt in einem anderen Land zu beginnen.
    Den Job habe ich damals abgelehnt, aber dieser Besuch war der Anfang meiner Liebe zu Deutschland. Als ich mich dann kurz darauf auch noch in einen schönen Deutschen verliebte, der aus Frankfurt stammte und eine Zeit lang in Prag arbeitete, fuhr ich immer wieder nach Deutschland. Der junge Mann war groß, breitschultrig, hatte blonde Haare, helle Haut, strahlend blaue Augen und bewegte sich ein bisschen steif – eben einfach typisch deutsch, auch wenn ich dieses Klischee damals noch nicht kannte. Ich wusste nur, dass mir dieser Typ Mann, der so anders war als ich, sehr gut gefiel.
    Um eine Entscheidung treffen zu können, wo in Europa meine neue Heimat sein sollte, wollte ich erst weiter die Welt entdecken. Ich fuhr nach Spanien, Frankreich, Italien, England, doch je öfter ich in dieser Zeit nach Deutschland kam, desto mehr verliebte ich mich in dieses Land. Nach und nach fing ich an, alle Länder miteinander zu vergleichen. Die Mentalität der Menschen im Süden Europas war meiner eigenen zu ähnlich. In Spanien dachte ich: Hm, das ist ja fast wie in Kuba. Auch Italien war südländisch, chaotisch und laut. Ich fand all diese Länder toll und fühlte mich dort wohl, aber sie kamen für mich nicht infrage, weil ich hungrig danach war, eine andere Mentalität kennenzulernen. Wenn schon ein Neuanfang, dann sollte er so eine Art Lebensschule sein, in der ich mich weiterentwickeln konnte. Ich suchte nach einer Herausforderung in einem Land, wo ich etwas lernen und mich als Mensch noch stärker verwirklichen konnte. All das habe ich später in Deutschland gefunden.
    Wann immer ich in Prag von Deutschland schwärm te, sagten mir die Leute: »Bist du verrückt? Da ist es doch nicht schön. Die Leute sind so kühl, haben keinen Humor und lachen nicht.« Aber wieder einmal machte ich die Erfahrung, dass ich nicht auf andere hören durfte, sondern mir selbst eine Meinung bilden musste. Was andere Leute sagten, konnte schließlich auch falsch sein oder für mich einfach nicht passen. Als Kind hatte man mir gesagt, dass der Kapitalismus schlecht sei. Deshalb wollte ich diese Welt kennenlernen, um herausfinden, ob das stimmte oder nicht.
    So machte ich das jetzt ebenfalls und stellte fest, dass mir Deutschland und die Deutschen gefielen. Ich erlebte sie ganz anders, als es mich viele Leute glauben machen wollten, und fand sehr schnell neue Freunde, die alle herzlich und lustig waren. Es beeindruckte mich, dass diese jungen Leute, die gerade mal so alt waren wie ich, also Mitte zwanzig, schon tolle Jobs oder ein erfolgreiches Business hatten. Sie besaßen Geld, konnten es sich leisten, zu reisen und schöne Autos zu fahren.
    Ich sah all die Möglichkeiten, die Deutschland zu bieten hatte. Und es gefiel mir, wie zuverlässig die Menschen waren. Wenn wir uns um sieben zum Essen verabredeten, kamen tatsächlich alle um diese Uhrzeit. Wann immer ich das verwundert ansprach, hieß es, das sei eben »typisch deutsch«.
    Offenbach mag keine Weltstadt sein wie Prag, trotzdem gefiel es mir nach einer Weile richtig gut dort. Auch weil es überall so sauber und gepflegt war und weil der Bus immer pünktlich kam. Hier funktionierte einfach alles. Ich fühlte mich in Deutschland wie im Schlaraffenland. Um herauszufinden, welche Schokolade mir am besten schmeckte, hätte ich drei Jahre gebraucht, bis ich mich durch das üppige Sortiment gegessen hätte. Anfangs wusste ich gar nicht, wie ich mich in dieser Vielfalt zurechtfinden sollte.
    Außerdem fand ich die Deutschen sehr tolerant. Ich sah Männer auf der Straße Hand in Hand gehen, ohne dass jemand daran Anstoß nahm.

Weitere Kostenlose Bücher