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Hola Chicas!: Auf dem Laufsteg meines Lebens (German Edition)

Hola Chicas!: Auf dem Laufsteg meines Lebens (German Edition)

Titel: Hola Chicas!: Auf dem Laufsteg meines Lebens (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jorge González
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Meine heterosexuellen Freunde wussten, dass ich schwul war, aber es störte niemanden. In Deutschland war das einfach kein Thema, sodass ich fast vergaß, homosexuell zu sein, weil ich mich noch freier als in Prag fühlte.
    Einmal ging ich abends in eine Diskothek in Sandalen und einem schwarzen Netzoverall, unter dem ich nur einen Tanga trug. Der totale Ibiza-Look, den ich in Prag schon mal ausprobiert hatte. Aber nur in der Diskothek, denn auf der Straße wäre das trotz aller Toleranz undenkbar gewesen. In Frankfurt lief ich mit diesem Outfit abends durch die Straßen, und niemand störte sich daran, obwohl es von Weitem aussah, als hätte ich nichts an. Natürlich waren die Leute baff und haben mich angeschaut, aber entweder gingen sie schweigend weiter, oder sie lachten und gaben einen netten Kommentar ab. Ein paar machten mir sogar Komplimente.
    Da wurde mir endgültig klar, dass ich müde war von Gesellschaften, die die Menschen nach Machomaßstäben beurteilten. Ich sehnte mich nach einer Kultur, die mich so nahm, wie ich war mit meinem zweiten Ich. Aus dem Grund kamen die südeuropäischen Länder als neue Heimat nicht infrage, denn dort war dieser Machismo viel stärker ausgeprägt. In Deutschland hatte ich »schlimmstenfalls« das Gefühl, außergewöhnlich zu sein, nicht aber krank oder verkehrt. Das empfand ich als Freiheit. Es war, als würde jemand sagen: »Tu was du willst und hab keine Angst. Du bist okay, so wie du bist.«
    Ende 1993 stand für mich fest, dass ich nach Deutschland gehen würde, weil dieses Land so anders war. Das fing schon beim Wetter an … Ich war bereit, mich zu verändern, wollte etwas lernen und mich verbessern. Die Frage war nur: Jorge, schaffst du es in einer Welt, die ganz anders ist als die, aus der du kommst? – Ja klar, ich liebe Herausforderungen.

    Der deutsch-kubanische Cocktail
    Immer wenn ich mich mit den Deutschen verglich, entdeckte ich viele Eigenschaften, die mich faszinierten, weil sie mir als Kubaner fehlten: Die Deutschen sind reserviert, pünktlich, zurückhaltend, diszipliniert, zuverlässig. Die Leute, die ich kennenlernte, hatten sich ihren Wohlstand erarbeitet. Das gefiel mir sehr.
    Wenn ich in dieser Welt lebe, dachte ich, dann kann ich das auch lernen. Und vielleicht gab es ja sogar etwas, das ich den Menschen in Deutschland geben konnte. Ich hatte im Gegenzug die Lässigkeit, Lebensfreude, Wärme, Sonne, Herzlichkeit und Spontaneität Kubas zu bieten. Ich denke manchmal nicht viel nach, bevor ich spreche. Alles, was ich sage und mache, kommt direkt aus dem Herzen. Meine Lebensfreude, meine Offenheit und die Freude, mit anderen zu kommunizieren haben den Menschen hierzulande immer gefallen, vielleicht spüren sie ja, dass es nicht einstudiert ist. Ein Kubaner kommuniziert gern und liebt es, Komplimente zu machen. Er lebt von morgens bis abends mit einem Scherz auf den Lippen.
    Die Deutschen, die ich traf, überlegten lange, bevor sie jemandem etwas Nettes sagten wie »Hey, ich finde dich toll«. Und wenn, wirkte es oft schüchtern und unbeholfen. Und Chicas: Nicht nur die Männer haben in Deutschland Schwierigkeiten, Komplimente zu machen. Mir hingegen fiel es nicht schwer, offen auf Leute zuzugehen und ihnen etwas Nettes zu sagen. Im Gegenteil: Ich liebe das auch heute noch.
    Außerdem haben dort, wo ich herkomme, die Generationen ein sehr gutes Verhältnis zueinander. In Kuba mischen sich Alt und Jung viel mehr – dank der Musik, dank des Salsa. Dieses Miteinander, das Lebensfreude schenkt, habe ich immer genossen. In Deutschland ist das oft anders: Hier gibt es einen Schnitt zwischen den Generationen, und viele Leute meinen, dass man mit dreißig schon alt ist. Ich sage immer zu meinen Freunden: »Ich wünschte mir mehr Kommunikation zwischen den Generationen.« Denn jedes Lebensalter hat doch etwas Tolles, oder?
    Den Menschen in Deutschland fällt es oft schwer, einfach so auf der Straße zu lächeln. Am Anfang dachte ich immer, sie seien alle traurig. Wenn ich jemanden anlächelte oder » Hola « sagte, kam nichts zurück. Wieso, fragte ich mich immer wieder. Warum sind die Menschen hier so? Warum reden die Leute nicht mit mir? Warum lachen sie so selten?
    Irgendwann habe ich verstanden, dass Deutsche sehr herzlich sind und Humor haben, dass sie einfach bloß ein bisschen mehr Zeit brauchen als ich. Ich habe die Erfahrung gemacht, dass man ihnen nur Feuer geben muss, um miteinander warm zu werden. Das ist immer so. Das schaffst du aber nur, wenn

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