Hola Chicas!: Auf dem Laufsteg meines Lebens (German Edition)
schließen. Nachdem die Tränen getrocknet waren, stellte ich Christina vor, die nach einem knappen » Hola « sofort wieder fragte: » Scusate ragazzi , Entschuldigung, Leute, aber gibt es Skorpione auf Kuba?«
Mit dem Mietwagen, den ich von Deutschland aus reserviert hatte, ging es wenig später los in Richtung Jatibonico. Christina saß hinter dem Steuer, weil ich, ihr Beifahrer, noch keinen Führerschein hatte. Ina, ihr kleiner Sohn, ihr Mann und Manuel saßen auf der Rückbank. Die Fahrt war ein totales Chaos. Die Straßen waren so schlecht und voller Schlaglöcher, dass wir nur langsam vorankamen. Immer rannten irgendwelche Leute oder Tiere über die Fahrbahn, Pferdewagen fuhren rechts neben uns auf dem Seitenstreifen, und viele Autos hatten kein Licht angeschaltet, obwohl es stockdunkel war.
»Mein Gott, was ist das?«, schrie Christina, als sie die erste Kuh auf der Fahrbahn sah und mit voller Wucht auf die Bremse stieg.
Nachdem wir das Tier vertrieben hatten und ein paar Kilometer weiter waren, fuhr Christina – bumm – über ihr erstes Schlagloch.
»Orgito, was ist denn jetzt schon wieder?«, schrie sie.
Kurz: Wir kamen nur langsam voran.
Als Christina irgendwann erneut nachfragte: »Gibt es eigentlich Skorpione auf Kuba?«, schauten sich Manuel und Ina bloß an und brachen in Gelächter aus. Da endlich dämmerte es meiner Freundin, dass ich sie auf den Arm genommen hatte.
»Orgito, ti ammazzo «, schrie sie. »Ich bring dich um, wenn wir von dieser Straße runter sind.«
Gegen ein Uhr nachts erreichten wir von Jatibonico und hatten damit für ungefähr dreihundertdreißig Kilometer gut fünf Stunden gebraucht. Ich habe ja schon erzählt, wie es aussieht, wenn man in mein Dorf kommt. Am Ortseingang fährt man erst einmal über eine sehr markante Stahlbrücke. Danach sieht man die zwei Türme der Zuckerfabrik. Als Jugendlicher hasste ich diesen Anblick, wenn ich am Wochenende aus dem Internat kam, weil ich nur davon träumte, eines Tages aus Jatibonico weggehen zu können. Aber jetzt, nach acht Jahren in Europa, freute ich mich zum ersten Mal, die vertrauten Bilder zu sehen.
Natürlich wusste der ganze Ort, dass ich kam. Obwohl es schon mitten in der Nacht war, standen die Leute vor ihren Häusern, als wir ganz langsam mit dem Mietwagen, einem weißen Renault, den man damals nur selten in Kuba sah, durch die Hauptstraße fuhren. Da meine Familie mittlerweile in einem anderen Teil von Jatibonico in einem großen, modernen Plattenbau wohnte, kannte ich den Weg nicht genau. Während wir die Hauptstraße entlangfuhren, entdeckte ich etwa in der Mitte einer Gruppe von Leuten einen grauhaarigen Mann, der unruhig herumschaute.
»Halt«, schrie ich plötzlich, »da steht mein Papa.« Und noch bevor Christina bremsen konnte, riss ich die Wagentür auf und stürtzte hinaus und meinem Vater in die Arme.
Mein Vater ist ebenso wie ich ein Mensch, der seine Gefühle meistens kontrolliert. Aber als wir uns sahen, war es damit vorbei. Wir hielten uns in den Armen und weinten. Er drückte und küsste mich immer wieder und rief: » Mi hijo, mi hijo, mein Sohn, mein Sohn.«
Als wir uns beruhigt hatten, schaute mein Vater auf das Auto und sagte: »Mit dem Wagen könnt ihr nicht vor dem Haus parken. Es hat geregnet, und die ganzen Schlaglöcher auf der Straße sind voller Wasser. Außerdem wird er da nur geklaut. Wir haben mit einer Arbeitskollegin deiner Mutter gesprochen, die hinter unserem Haus ein kleines Häuschen hat. Sie sagt, ihr könnt in ihrem Innenhof parken.«
Also fuhren wir dorthin, versteckten den Renault und gingen die fünfzig Meter zum Hintereingang des Wohnblocks. Meine Mutter und meine Schwester hatten uns schon vom Fenster aus kommen sehen und rannten die Treppen herunter – vor ihnen meine sieben Jahre alte Nichte Alicia. » Tío, tío , Onkel, Onkel«, schrie sie, sprang völlig aufgelöst an mir hoch und drückte mich so fest, dass ich fast keine Luft mehr bekam.
Und dann kam meine Mutter. Mit Tränen in den Augen stand sie mit ausgebreiteten Armen vor mir. Gerade als ich sie in den Arm nahm, hörten wir einen Schrei, als würde jemand sterben. »Aaaaaaaahhhhh….« Christina.
Da erst merkte ich, dass wir vor einem kleinen Verschlag standen, in dem Schweine untergebracht waren. Die Leute hielten in den schweren Zeiten überall ihre Nutztiere. Und Christina stand, nur durch einen morschen Holzzaun getrennt, einem riesigen Schwein gegenüber, das größer schien als sie selbst. Die Arme.
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