Holly greift nach den Sternen
bekommt, und wenn du es dann immer noch willst, kannst du aussteigen. Einverstanden?« Dereks Griff um ihr Handgelenk wurde fester. »Du verdienst wenigstens die Chance, reich zu werden.«
»Ich weiß nicht«, sagte sie schwach. »Ich kann momentan nicht klar denken.«
»Gut. Ich werde das Denken für dich übernehmen«, schnurrte Derek und beugte sich vor, um eine verirrte Wimperntuscheträne von ihrer Wange zu wischen. »Ich plane eine Strategie und wir reden morgen darüber.«
Holly saß wie betäubt da und schob mit höchster Konzentration die Zeitschrift wieder in den Umschlag zurück, damit sie sie nicht länger ansehen musste.
»Ich muss jetzt nach Hause«, flüsterte sie dann.
Derek seufzte sein Einverständnis, dann steckte er den Umschlag in ihre Handtasche und führte sie durch ein Meer von Tischen und vorbei an besorgt dreinschauenden Kellnern, als wäre sie aus höchst zerbrechlichem Glas.
23
Z u Hause steckte Holly den Umschlag sofort ganz tief in den Mülleimer in der Küche, aber zehn Minuten später presste sie die Lippen zusammen, holte tief Luft und kämpfte sich durch Klumpen von Reisnudeln hindurch, um ihn wieder rauszuholen.
Es war, als würde man in einem dieser Klatschblätter eine Reportage lesen über »Warum schöne Menschen oft hässliche Kleider tragen«. Ein Teil von ihr wollte die Seite schnell umblättern, doch ein viel größerer, sehr wissbegieriger Teil von ihr konnte nicht wegsehen.
LITTLE GIRL LOST
Der Aufstieg und Fall der Holly Harlow, Hollywoods tragischstem Kinderstar
schrie es in großen schwarzen Lettern von der Titelseite. Drinnen stand noch Schlimmeres.
Holly trank einen stärkenden Schluck Mineralwasser mit viel Kalzium und las.
Es war einmal ein kleines Mädchen, das wohnte in einem wunderschönen Haus in Malibu, dem Spielplatz der Reichen und Berühmten. Das kleine Mädchen besaß einen herzförmigen Swimmingpool, ein Bett aus einem französischen Schloss und Schränke voller eigens für sie gefertigter Kleider.
Jeden Tag kam pünktlich um 7:42 Uhr eine glänzend schwarze Limousine und brachte das kleine Mädchen zu einem großen Fernsehstudio, wo sie ein anderes kleines Mädchen spielte, das weder ein Haus noch einen Swimmingpool oder andere luxuriöse Statussymbole eines Stars besaß. Dieses andere kleine Mädchen hatte etwas viel Besseres: liebevolle Eltern und einen Hund mit Namen Schlingel, der ihr überallhin folgte.
Willkommen in der Hollywoodwelt der Holly Harlow, Amerikas Liebling mit Zahnlücke und Sommersprossen... bis sie erwachsen wurde. Dann platzte die Seifenblase, und das Publikum, das das kleine Mädchen einst so geliebt hatte, vergaß sie.
»Holly wuchs in einem Fernsehstudio auf«, erklärt Marlene Weisman, die Leiterin einer Casting Agentur, die die dreijährige Holly entdeckte, als sie ein Kind für einen Müsli-Werbespot suchte. »Lesen lernte sie beim Lernen ihrer Texte, sie kriegte Zähne zwischen den Aufnahmen und sollte sich schon mit fünf Jahren wie eine erfahrene Kollegin benehmen. Irgendwo ging währenddessen ihre Kindheit verloren.«
Holly wurde in Encino, Kalifornien, geboren. Ihre Eltern waren der Barmixer Mark Harlow und Amber Spillane, die auf Hollys Geburtsurkunde als Beruf »Schauspielerin« angab, obwohl ihre größte Rolle ein nur dreimaliger Auftritt in der Kult-Soap Passions war. Holly Harlow wurde von ihrer ersten Agentin unter Vertrag genommen, als sie drei Tage alt war.
Holly starrte auf das riesige Foto, das sie am Set der Starr-Familie zeigte. Ihre Fernseheltern sahen ihr stolz dabei zu, wie sie fünf Kerzen auf einer Torte mit rosa Zuckerguss auspustete. Seitlich war ein winziger, etwa zur gleichen Zeit gemachter Schnappschuss in Schwarz-Weiß zu sehen: von ihr und Amber in der Garderobe. Hollys Haare waren auf Lockenwickler gedreht, und sie hielt ein Drehbuch in der Hand, während Amber mit verärgertem Gesicht auf die Skriptseite zeigte.
»Es ist mir scheißegal, ob du den Mist lesen kannst oder nicht«, hatte sie oft gesagt. »Du bleibst so lange hier, bis dein Spatzenhirn den Text auswendig kann.«
Da stand alles, schwarz auf weiß. Eine Dreitausend-Wörter-Geschichte über ein einsames kleines Mädchen, das seine gesamte Zeit in Fernsehstudios verbracht hatte und aussah wie der lebendig gewordene amerikanische Traum. Mit einer Fernsehmutter, die sofort gefeuert worden war, nachdem Holly sie auch außerhalb des Studios Mama genannt hatte. Über ein Mädchen, das eine »vierzigjährige Frau in einem
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