Holt, Anne - Hanne Wilhelmsen 5
überflog er das Papier.
»Haben Sie etwas zum Schreiben?« murmelte er und hielt das Dokument an
die Wand. »Hier.«
Halvorsrud nahm den Kugelschreiber, den der Mann ihm anbot, und kritzelte
eine Unterschrift.
»So«, sagte er und band sich den Bademantelgürtel fester. »Ich bedaure noch
einmal.«
»Sorgen Sie dafür, daß das nicht wieder vorkommt«, sagte der Polizist und
lächelte. »Schönen Tag noch.«
Halvorsrud blieb stehen und schaute ihnen hinterher. Dabei hatte er den Arm
um die Schultern seiner Tochter gelegt. Als seine ungebetenen Gäste den
Streifenwagen erreicht hatten, der vor der Auffahrt stand, setzte die Polizistin ihre Sonnenbrille auf und sagte: »Wenn ich zu entscheiden
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hätte, dann hätten wir ihn wieder eingebuchtet. Ein Herr Jedermann würde
nicht so behandelt werden.«
»Lawyers rule the world«, sagte der andere und verstaute das unterschriebene
Papier im Handschuhfach.
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Hausmeister Ole Monrad Karisen in der Vogts gate 14 hatte eine elende Nacht
hinter sich. Im Nachbarhaus gab sich eine Bande von Jugendlichen alle Mühe,
das gesamte Viertel bis in den frühen Morgen hinein wachzuhalten. Karisen
hatte sich nicht als einziger darüber geärgert; gegen vier Uhr war die Polizei
aufgetaucht, offenbar aufgrund von Klagen. Für eine halbe Stunde war
daraufhin der Lärmpegel um einiges gesunken, und Karisen war fast schon
eingeschlafen, als es wieder losdröhnte.
Am ersten Sonntag im Monat überprüfte er immer die Glühbirnen in
Treppenhaus, Keller und Dachboden. Für Ole Monrad Karisen spielte es keine
Rolle, daß Ostersonntag war. Er hatte seine Routine, und ein Feiertag oder
eine schlaflose Nacht waren für ihn kein Grund für ein Pflichtversäumnis. Er
fluchte leise, als er feststellte, daß im Treppenhaus A nicht weniger als vier
Glühbirnen ihren Geist aufgegeben hatten. Es war ein großes Haus, mit
vierundzwanzig Wohneinheiten und zwei Treppenhäusern.
Eigentlich hatte er sich vor dem Keller Treppenhaus B vornehmen wollen.
Aber als er mit vier durchgebrannten und sechs neuen Birnen in einer
Plastiktüte die Treppe hinunterging, fiel ihm auf, daß die Kellertür nur
angelehnt war. Und das nicht zum ersten Mal. In letzter Zeit hatte er dreimal
Plakate mit der strengen Mahnung aufgehängt, daß Haustür und Keller immer
verschlossen zu sein hatten.
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»RUND UM DIE UHR!« hatte er mit Filzstift unten auf das Plakat
geschrieben.
Hausmeister Karisen wurde wütend. Nach dem letzten ungebetenen Gast, dem
Banditen, der ihm eine wehe Schulter verpaßt hatte, die ihm nachts noch
immer zu schaffen machte, hatte er festgestellt, daß kein Schloß aufgebrochen
worden war. Mit anderen Worten war also dieser Mistkerl ins Haus
gekommen, weil irgendwer sich nicht an die Vorschriften gehalten hatte. Zum
Glück war nichts gestohlen worden. Karisen hatte den Dieb im richtigen
Moment überrascht.
Jetzt hatte jemand die Tür ruiniert.
Sie schlug im schwachen Luftzug gegen den Rahmen. Das Holz um'das Schloß
war gesplittert und klaffte weiß in der alten blauen Farbe.
»Also zum. . . «
Karisen nahm das Ganze als persönliche Beleidigung. Das hier war sein Haus.
Er trug die Verantwortung dafür, daß alles in Ordnung war, daß die Mieter
regelmäßig die Treppe putzten, daß der Bürgersteig abgespült wurde, daß
unter den Briefkästen keine Werbung herumlag, daß bei Bedarf ein Klempner
kam. Er trug die Verantwortung dafür, daß alles funktionierte. In einem Haus
wie diesem, in dem ein Drittel der Bewohner Sozialhilfe bezog und in dem die
Mieter so rasch wechselten, daß Karisen ab und zu nicht mehr wußte, wer nun
wirklich im Haus wohnte, mußte jemand alles im festen Griff halten.
In seinen Keller war eingebrochen worden.
Wütend trampelte er die Treppe hinunter.
Unten wäre er fast über etwas gestolpert. Er stemmte die Hand gegen die
Wand, um sich abzustützen, und konnte sich auf den Beinen halten. Dann
schaute er nach unten.
Dort lag ein Kopf.
Ein Stück weiter im engen Kellergang lag der offenbar
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dazugehörige Körper. Die Arme lagen an der Seite, die Beine waren
übereinandergeschlagen, als wolle die kopflose Leiche einfach nur ein kleines
Nickerchen machen.
Karisen spürte, wie das Blut aus seinem Gehirn strömte, und schluckte
energisch.
Karisen hatte schon Schlimmeres erlebt. Er hatte um sich schlagende
Kameraden im eiskalten Meer ertrinken sehen; einmal hatte er seinen besten
Freund aus dem vom Öl brennenden
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