Holunderküsschen (German Edition)
denn schon wieder? Setz dich lieber hin und lass mich meine Zeitung lesen. Wir haben noch den ganzen Flug, um uns zu unterhalten. Komm sei lieb.“ Er tätschelt mit der Hand auf den freien Sitz neben sich.
Fehlt nur noch, dass er »PLATZ!« sagt. Ich bin doch kein Hündchen.
„Dann will ich dich mal nicht länger stören, Liebes . “ Ich spucke lautstark auf meinen Rin g finger. Ein paar Tropfen meiner Spucke landen auf Johanns Zeitung. Die Frau am Gang verzieht das Gesicht und ich ziehe mir mit einiger Anstrengung den Verlobungsring vom Finger. A n schließend wische ich das nasse Schmuckstück an meinem Ärmel ab.
„Hier.“
„Wie? Was? Warum?“ Johann sieht mich vollkommen verdattert an. Im Flugzeug ist es mucksmäuschen still.
Ich versuche Johann so schonend wie möglich beizubringen, dass ich nicht mit ihm nach Frankfurt fliegen werde.
„Der Ring ist wirklich wunderschön“, fange ich an, „aber ich kann ihn unmöglich behalten.“
„Wieso das denn nicht? Ist er zu eng?“ Er betrachtet besorgt meinen leicht angeschwollenen und geröteten Ringfinger. „Du fandst ihn doch so schön, hast du mir selbst gesagt.“
Die Sitznachbarin schüttelt den Kopf. Ein anderer Gast stöhnt mitleidig.
„Ja, schon. Er ist ja auch wunderschön, aber ...“ Ich hole tief Luft, „nicht für mich. Die Sit u ation ... meine Situation hat sich ...“ Ich atme hörbar aus.
„Könntest du jetzt bitte mal Klartext reden und dich zu mir setzen, anstatt die ganzen Leute hier mit deinem Gerede zu belästigen?“ Seine Stimme klingt gepresst. Johann hasst Situationen wie diese.
„Ist schon okay.“ Der Mann am Gang lächelt mir auffordernd zu.
„Lassen Sie sich durch uns nicht stören“, ermuntert mich eine Frau drei Reihen hinter J o hann weiterzumachen. Mehrere Leute nicken zustimmend.
„Nur zu“, fordert mich Johanns Sitznachbarin auf, was ihr einen hasserfüllten Blick von J o hann einbringt.
Johann richtet sich auf und sieht mich mit halb strengem, halb entsetztem Blick an. Dabei pult er an seinem Zeigefinger herum, was er immer tut, wenn er nervös oder extrem angespannt ist.
„Na ja, weißt du. Ich habe noch einmal über alles nachgedacht und ich ... äh, ja weißt du, ich bin mir nicht mehr ganz sicher ...“
„Schätzchen nun mach endlich und komm zur Sache“, proletet der Typ mit Ed Hardy Bas e ball-Mütze dazwischen.
„Schsch“, zischt irgendwer außerhalb meines Sichtfelds und bittet so den Zwischenrufer zu Räson.
Vielleicht habe ich mich etwas kompliziert ausgedrückt. Johann schweigt. Ich lasse meine Worte in meinem Kopf Revue passieren. Gerade als ich alles noch einmal zusammenfassen will, werde ich von der Stewardess unterbrochen.
„Entschuldigung, gibt es ein Problem?“, fragt sie überaus freundlich mit dem typischen Stewardessen-Lächeln auf dem Gesicht.
„Nein , danke“, antworte ich höflich. „Ich habe nur gerade gemerkt, dass ich dabei bin einen Riesenfehler zu begehen.“ Ich sehe Johann tief in die Augen. „Es tut mir leid, aber ich kann nicht mit dir zurück nach Freiburg kommen.“ Johann zuckt zusammen, als hätte ich ihm eine Ohrfeige verpasst. Ich reiche ihm den Ring. Seine Hand zittert . Ich hingegen bin das erste Mal seit Johann wieder in meinem Leben aufgetaucht ist völlig ruhig.
„Das ist doch absolut lächerlich.“ Johann ist aus seinem Sitz aufgesprungen und funkelt mich böse an. „Hör auf mit dem Theater und setz dich hin! Du weißt ja nicht, was du da sagst.“ Die Flugbegleiterin schnappt hörbar nach Luft.
„Würden Sie dem Kapitän bitte mitteilen, dass ich aussteigen möchte“, sage ich an die Flugbegleiterin gewandt. Jemand klatscht.
„Bravo!“ Ein Typ ist aus seinem Sitz aufgesprungen und filmt mich mit seinem Handy. Ich lächele.
Einige Passagiere klatschen noch immer, als ich der Flugbegleiterin durch den Gang nach vorne folge.
„Katja, wo steckst du gerade?“
„Pumbi, bist du das? Was ist passiert? Hat euer Flieger Verspätung? Ist Johann nicht g e kommen?“
„Ich habe mit Johann Schluss gemacht“, erkläre ich fröhlich. „Und wollte dich fragen, ob ich mein altes Zimmer wieder haben kann.“
„Gott sei Dank!“, schreit Katja ins Telefon. Mein Ohr fängt prompt an zu klingeln. „Bleib, wo du bist. Sergej und ich sind schon unterwegs.“
Mir schießen die Tränen in die Augen vor Glück. „Flughafen Hamburg Ankunftsebene“, schniefe ich.
„Wir sind in fünf Minuten bei dir. Und rühr dich nicht von der
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