Holunderküsschen (German Edition)
Fussel von seinem Pu l lunder. „Nein, das wäre zu viel gesagt. Aber besonders verständnisvoll hast du dich nicht verha l ten.“ Männer tun immer so, als wäre Treue für sie ein Akt der Selbstbeherrschung. Und wenn es dann mit der Selbstbeherrschung mal nicht so klappt, erwarten sie von uns Frauen Verständnis, was ich wiederum nicht verstehen kann.
„Ach ja. Dann bitte ich dich um Entschuldigung. Ich hoffe du kannst mir verzeihen, dass ich mich, als ich dich mit Titten-Annette auf unserem Sofa erwischt habe, nicht so diplomatisch ve r halten habe wie du es dir gewünscht hättest.“
„Warum bist du denn so gereizt? Ich meine ja nur ...“ Er winkt ab. „Ach ist ja egal. Haup t sache ist doch, ich bin hier.“
„Ach ja?“ Ich verstehe immer noch nicht, was für ein Spiel hier gespielt wird. „Was willst du eigentlich von mir?"
Unsicher sieht er mich an. „Aber liegt das nicht auf der Hand?“
„Nicht für mich."
„Ich möchte, dass du zu mir zurückkommst."
Vor ein paar Wochen hätte ich alles gegeben, um diesen Satz aus Johanns Mund zu hören. Jetzt bin ich mir nicht mehr so sicher, ob ich das überhaupt will.
Johann kniet sich vor mich hin. „Julia, ich kann nicht mehr schlafen, nicht mehr klar de n ken. Ich kann nicht mehr essen, seit du mich Hals über Kopf verlassen hast ohne mir eine Chance zu geben. Du hast allen Grund auf mich sauer zu sein.“ Er macht eine Pause. „Trotzdem bin hier, um dich um eine zweite Chance zu bitten." So wie er es sagt, klingt es ein bisschen auswendig gelernt. „Ich liebe dich." Er nimmt meine Hand und klammert sich wie ein Ertrinkender daran. Seine Augen heften auf mir. „Du bist die Frau meines Lebens. Die Frau, mit der ich Kinder h a ben möchte. Ich weiß, dass wir ein wunderschönes Leben haben werden, wenn du dir jetzt einen Ruck gibst und uns eine zweite Chance gibst." Bilde ich es mir ein oder zittert Johanns Unterli p pe? Ich spüre wie ich schwach werde.
„Du trägst ja immer noch meinen Ring", ruft er erstaunt, als ich ihm die Hand reiche. Ta t sächlich wird mir erst jetzt bewusst, dass ich immer noch Johanns Verlobungsring trage. Ein Ps y chologe würde es wahrscheinlich als Zeichen meines Unterbewusstseins werten, dass ich Johann noch immer liebe.
Die Wahrheit ist, ich konnte mich nicht von dem Ring trennen. Schließlich ist es der schönste Ring, den ich jemals besessen habe und der Diamant glitzert so herrlich, wenn man ihn ins Licht hält. Ich habe es einfach nicht übers Herz gebracht ihn auszuziehen.
„Es ist viel passiert seit du mich mit ... äh betrogen hast", erkläre ich unsicher.
Johann senkt schuldig seinen Blick.
„Ich weiß nicht, ob ich alles einfach so vergessen und so tun kann, als sei nichts passiert." Ich hole tief Luft. „Ich lebe jetzt hier. Ich habe einen neuen Job, der mir Spaß macht. Ich habe Freunde gefunden. Verstehst du? Ich kann doch nicht schon wieder alles über den Haufen werfen und so mir nichts, dir nichts mit dir zurück nach Freiburg kommen." Ich streiche mir eine Strähne aus dem Gesicht.
„Das hier ist jetzt mein Leben." Hier stehe ich verschlafen und ungeschminkt vor dem Mann, den ich noch vor wenigen Wochen für mein Schicksal gehalten habe. Meine Beine stecken in einer ausgebeulten Jogginghose und meine Gedanken sind bei Benni. Ich bin selbst ein bis s chen überrascht über die Wendung, die mein Leben genommen hat. Ich komme mir fast ein w e nig fremd vor.
„Ehrlich gesagt hätte ich nicht gedacht, dass du es in Hamburg länger als zwei Wochen au s hältst.“ Er sieht mich an, wie er sonst nur den Vorstand des Gartenvereins ansieht. „Aber deine Mutter hat gesagt ..."
„Hab ich es mir doch gedacht!" Ich werfe ihm einen vernichtenden Blick zu. „Du bist hier, weil Hannelore dich davon überzeugt hat."
„Nein." Johann schüttelt den Kopf. „Ich bin hier, weil ich dich liebe." Die Antwort klingt fast ein bisschen trotzig. „Deine Mutter hat nichts damit zu tun."
„Und warum kommst du dann erst jetzt und nicht schon früher?" So langsam gewinne ich wieder Oberhand über meine Gefühle.
„Weil ich mir erst einmal über einiges klar werden musste." Er lässt meine Hand los.
„Ob du Annette willst oder mich?" Ich höre mich schon an wie eine Zicke.
Johann schüttelt entschieden den Kopf. „Lass endlich Annette aus dem Spiel! Hier geht es nur um dich und mich."
„Und Annette", beharre ich.
Johann seufzt. Er nimmt erneut meine Hand, so als wolle er mich festhalten.
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