Holunderküsschen (German Edition)
willst ..." Sie klingt enttäuscht.
„Das stimmt nicht", verteidige ich mich. „Ich bin wirklich müde. Es war ein langer Tag und ich muss bis Montag diesen Artikel fertig haben. Ich hab euch lieb. Ich melde mich bei euch."
„Versprochen?"
„Versprochen." Ich lege den Hörer auf.
„Ich war so bescheuert.“ Ich habe die letzte Nacht schlecht geschlafen und bei dem Geda n ken morgen wieder ins Büro zu müssen, zieht sich mein Magen zusammen.
„Julia, du warst nicht bescheuert“, sagt Katja und legt beschwichtigend die Hand auf meine. „Du warst nur betrunken und vertrauensselig.“
„Vertrauensselig oder bescheuert, das ist doch ein und dasselbe.“
„Du warst verliebt . “
„Ich bin nicht in Benni verliebt", erkläre ich mit einer Inbrunst, die mich selbst überrascht . In meinem Kopf wirbelt ein Sturm. „Ach, ich weiß auch nicht, was ich bin ..."
Katja sieht mich mit diesem intensiven Blick an, den sie immer drauf hat, wenn sie ihrem Gegenüber nicht glaubt.
„Okay, vielleicht war ich ein bisschen in ihn verliebt. Aber das ist jetzt vorbei. Ich schreibe jetzt noch genau diesen bescheuerten Artikel fertig und dann hau ich ab."
„Du willst zurück nach Freiburg?"
Ich schüttele den Kopf. „Nee, aber ich will keinen Tag länger als nötig für die Holiday Dream arbeiten. Lieber schreibe ich gar nicht, als unter der Leitung von Benjamin Wagner zu arbeiten."
„Findest du nicht, du solltest dich erst einmal mit Benni aussprechen, bevor du voreilige Schlüsse ziehst?"
„Auf keinen Fall!" Ich presse die Lippen aufeinander. „Das Thema ist durch!"
„Mhm." Katja nimmt einen Schluck Kaffee. Wirklich überzeugt sieht sie nicht aus. Es kli n gelt an der Haustür. Katja sieht auf ihre Armbanduhr.
„Das muss Sergej sein. Ist zwar noch ein bisschen früh. Wir hatten eigentlich gesagt, dass er mich gegen später abholt. Wir wollten bei schönem Wetter nach Timmendorf fahren und dort einen Kaffee trinken. Hast du Lust mitzukommen?"
„Geht nicht", erkläre ich. „Ich muss den Artikel bis morgen fertig haben. Außerdem ist mir nicht nach Menschen. Aber danke für dein Angebot."
Katja zuckt mit den Schultern. „Du kannst es dir ja noch überlegen. Wir fahren frühestens in einer halben Stunde." Katja steht auf und geht zur Tür.
Gedankenverloren trinke ich meinen Kaffee, als im Hintergrund Stimmengewirr zu ve r nehmen ist. Also nach Sergej klingt das gar nicht. Ich lausche angestrengt.
Das ist doch nicht ...
Das kann doch nicht ...
Aufgeregtes Tuscheln. In diesem Moment geht die Küchentür auf und vor mir stehen ...
„Mama! Papa! Wie kommt ihr denn hierher?" Ich bin völlig baff, als ich meine Eltern sehe.
Meine Mutter lässt ihren Arm sinken und strahlt mich an. „Mit dem Auto. Wir sind heute Morgen um sechs gemütlich aufgestanden. Ich habe Papa und mir ein paar Schnittchen und eine Thermoskanne Kaffee gemacht, während Papa das Auto noch einmal auf seine Funktionstüchti g keit überprüft hat. Und dann sind wir losgefahren. Ist ja eine wunderschöne Fahrt hier hoch in den Norden. Unsere erste Pause haben wir in Kassel-Ost gemacht. Weißt du, da gibt es einen netten kleinen Rasthof . Da haben wir in Ruhe gefrühstückt." Sie sieht sich in der Küche um. „Wirklich schön hast du es hier. Danach sind wir ohne weitere größere Pausen durchgefahren. Na ja, abgesehen davon, dass dein Vater noch zwei Mal anhalten musste, um auszutreten. Ich habe schon zu deinem Vater gesagt, dass er unbedingt zum Urologen muss. Normal ist das nun wir k lich nicht, wenn man als Mann häufiger auf Klo muss als seine Frau." Sie wirft einen bösen Blick in Klaus-Peters Richtung.
Ich weiß zwar nicht, wie viele Gehirnzellen vorgestern durch Alkohol vernichtet worden sind, aber anscheinend sind es diejenigen gewesen, die normalerweise für schnelle Reaktionsf ä higkeit zuständig sind. Deshalb schweige ich und starre meine Mutter und meinen Vater einfach nur an. Katja, der alte Feigling versteckt sich im Türrahmen. Ich kann sie atmen hören. Wah r scheinlich hält sie sich vor Lachen den Mund zu. Also, von ihr ist keine Hilfe zu erwarten. Meine Mutter geht einen Schritt auf mich zu.
„Kindchen, wie geht es dir? Du siehst so blass aus." Meine Mutter tätschelt meine Wange, so wie früher, wenn ich krank war.
„Es geht mir gut, Mama. Wirklich!" Ich schiebe mich an ihr vorbei. „Hallo, Papa. Schön dich zu sehen", begrüße ich meinen Vater, der sich hinter Hannelores Rücken versteckt. Konflik
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